Wenn die Helden gegen Panthermenschen kämpfen, wenn sie mit Luftschiffen fliegen, wenn sie in einer Dinosaurier-Eisenbahn fahren, wenn sie mit einer Sphinx sprechen, wenn sie in einem Baumpalast kämpfen… dann wird das wohl Myranor sein.
Palast der Goldenen Tiger war das erste offizielle Myranor-Abenteuer. Der 2001 erschienene Band richtete sich nicht nur an eine Gruppe Einsteigerhelden, sondern wurde zugleich als Einstieg in die neue Spielwelt konzipiert. Palast der Goldenen Tiger wirft Schlaglichter auf die Vielfalt und Andersartigkeit Myranors – auf all die Katzenwesen, Luftschiffe und Eisenbahnen. Noch heute ist der Band als Restposten für ein paar Euro erhältlich. Eignet sich Palast der Goldenen Tiger aber heute noch als Einstieg in die Spielwelt Myranor? Eher nicht.
Palast der Goldenen Tiger führt die Helden in die Stadt Malhira in der südmyranischen Provinz Thapura. Über das wohlhabende Malhira ist ein Schatten gefallen: Die Herrschaft des weisen Satrapen Thyradatus hat sich ein Terrorregime gewandelt, schwerbewaffnete Pardir-Patroullien tyrannisieren die Bevölkerung, vermeintliche Verräter werden eingekerkert – oder verschwinden spurlos. Echte Helden sind gefragt, um die Hintergründe für diese merkwürdige Veränderung aufzuklären.
Ein abwechslungsreiches Abenteuer…
Das klingt nach einem spannenden Abenteuer. Und tatsächlich hält Palast der Goldenen Tiger seine Versprechen. Die Helden sind die Protagonisten eines Abenteuers, das Abwechslung bietet, Tempo, Action, auch mal Verschnaufpausen, hier und da ein Rätsel und insgesamt eine durchdachte Dramaturgie. Das übergeordnete Motiv der gesamten Handlung ist jedoch, die Spieler mit den Besonderheiten der myranischen Spielwelt vertraut zu machen. Leider haben es die Autoren dabei übertrieben.
Der Ausgangspunkt des Abenteuers, die Stadt Malhira, ist nicht einfach nur eine myranische Stadt, in der ein paar Katzenwesen rumlaufen. Es ist eine Stadt, in der eine amaunischen Oberschicht über menschliche Untertanen herrscht. Die wichtigsten Meisterpersonen des Abenteuers sind nahezu ausschließlich Katzenwesen. Spielleiter mit sadistischer Neigung können ihren Spielern also die volle Fell-Dröhnung geben.
Wo es Katzenwesen gibt, ist das zweite große Myranor-Klischee nicht fern: Flugschiffe. Selbstverständlich bietet Palast der Goldenen Tiger eine Reise an Bord eines dieser Flugdingens. Doch das ist nicht das einzige exotische Transportmittel. Wer unter Höhenangst leidet, kann auf die Alternative zurückgreifen: Eine Kutsche, die auf Schienen fährt und von einer dinosaurierartigen Riesenechse gezogen wird. Denn auch so etwas gibt es in dem Abenteuer.
Das sind nur ein paar wenige Beispiele für die Exotik. Palast der Goldenen Tiger schreit in jeder Szene: Myranor ist anders! Myranor ist fremdartig! Myranor ist knallbunt!
…mit zu viel Exotik
Das stört die eigentlich gute Abenteuerhandlung merklich. Die drei Kapitel des Abenteuers sind nämlich voller interessanter und abwechslungsreicher Szenen. Zwar ist der Handlungsverlauf meist stringent, doch das muss für ein Einsteigerabenteuer nicht das Schlechteste sein. Zahlreiche Tipps und ein übersichtlicher Aufbau helfen dem Spielleiter zudem bei der Vorbereitung. Der einzige echte (und ziemlich fette) Makel ist die Überbetonung der Andersartigkeit Myranors.
Vielleicht war Myranor im Jahr 2001 genau so angelegt: Als knallbunte und fremdartige Spielwelt. Vielleicht ist das der Grund, warum Myranor lange Zeit belächelt wurde. Und vielleicht ist das der Grund, warum die aktuelle Weltbeschreibung in Unter dem Sternenpfeiler so gelungen ist. Darin wird nämlich eine andere Welt gezeichnet, eine meist bodenständige Welt, in der es nur vereinzelt bunte und fremdartige Flecken gibt. In Palast der Goldenen Tiger hingegen springt das Fremdartige die Helden an jeder Ecke an. Das wirjt nicht nur übertrieben, sondern häufig deplatziert.
Fazit
Im Jahr 2001 war Palast der Goldenen Tiger bestimmt ein tolles Abenteuer. Doch selbst damals dürfte die knallbunte Fremdartigkeit an einigen Stellen aufgesetzt gewirkt haben. In dem Abenteuer gleicht Myranor viel zu sehr dem oft belächelten Klischee: Überall Luftschiffe und Katzenwesen. Diese geballte Ladung an Exotik ist mit dem heutigen Bild von Myranor, wie es in Unter dem Sternenpfeiler gezeichnet wird, nur noch schwer vereinbar. Als Einstieg in die Spielwelt ist Palast der Goldenen Tiger daher nur eingeschränkt geeignet. Schade eigentlich, denn ohne das Übermaß an Fremdartigkeit wäre Palast der Goldenen Tiger ein richtig gutes Abenteuer.
[yop_poll id=“3″]
12 Gedanken zu “Rezension: Palast der Goldenen Tiger”
Ich halte M1 nach wie vor für ein gutes Myranor-Abenteuer.
Tharpura – das übrigens ein Horasiat und keine Provinz ist 😉 – ist nun mal, auch in UdS, fest in amaunischer Hand. Das wird sicher auch im für Ende des Jahres geplanten Südband so bleiben.
Gerade der Süden Myranors wirkt deutlich exotischer, als das etwas biedere zentrale Imperium. Zumindest kumuliert hier die Menge der für Aventurier fremdartig wirkenden Aspekte. Aber auch im Westen Myranor, wo Löwenartige eigene Reiche haben, Minotauren, Neristu, Kentori und andere „Fremdartige“ die Straßen bevölkern, wird man diesen Effekt haben. Im zentralen und nördlichen Imperium haben wir eigentlich genauso viele, wenn nicht mehr Flugschiffe, an DaVinci erinnernde Insektopter, Satyare, Amaunir und andere „Fellträger“, Eisenbahnen und U-Boote. Doch durch das „römische“ Imperium, mit einer Betonung der menschlichen Herrschaft, wirkt es nicht so präsent.
Ich bin dann mal gespannt, was Du zu M2 schreiben wirst. 😉
LG
Peter
Ein gutes Abenteuer ist es, das schon, aber es ist oft so, wie ich mir Myranor in meinen Vorurteilen vorgestellt habe.
Und zu M2, das kann ich dir jetzt schon verraten, werde ich nicht so viel Gutes schreiben. 😉
Deine Vorurteile sind halt das, was andere an Myranor lieben.
Kann schon sein. Ändert aber nichts daran, dass der Uhrwerk-Verlag heute andere Schwerpunkte setzt und Myranor sanft aber doch merklich ein etwas anderes Aussehen verleiht.
Wehmutsvoll denke ich an Palast des goldenen Tigers zurück, denn mit dem Abenteuer fingen wir damals an DSA zu spielen. Erst nach einigen Erlebnissen und Abenteuern in Myranor orientierten wir uns nach Aventurien. Sicher mag es sein das wir ein wenig geschädigt sind vom kunterbunten Highfantasygeblubbel und feliden Ringelpietz Myranors, aber so konnten wir uns bis heute ein schöne Offenheit gegenüber den einzelnen Kontinenten erhalten und so gehören für uns Myranor,Riesland, Uthuria und Tharun einfach zu Dere wie die Latwersch zum Grewwel ! Das Abenteuer ansich mag zwar nicht mehr haargenau in das Bild Myranors Stand 2o13 passen, aber um seinen Spielern mal ne kleine actionlasstige Rundfahrt im Güldenland zu spendieren reicht das.
Malchenstein
Dann hast du den gänzlich anderen Weg hin zu DSA gewählt. Auch nicht schlecht. Das sorgt wahrscheinlich wirklich für eine gewisse Offenheit. 🙂
Sehr schöne Rezensionm, gefällt mir 🙂
Aber was ich nicht verstehe ist warum du sagst das es da zu viele Luftschiffe gibt. Als wir das Abeunteuer damals gespielt haben gab es genau ein einziges Luftschiff. Das sah man einmal kurz von unten bei einer Gefangenenbefreiung und gegen Ende dann wieder um schnell zum Palast zu fliegen. Es ist natürlich Ansichtssache ob einmal schon zuviel ist, aber generell finde ich ein Luftschiff in so einer großen Stadt geht schon in Ordnung?
PS: Sich in Tharpura über den Katzen-anteil zu beschweren ist ja als ob man sich in einem Abenteuer unter den Ambossbergen über zu viele Zwerge beschwert 😛
Das einzelne Luftschiff oder die einzelnen Katzenwesen sind nicht das Problem. Das Problem ist die Häufung: Luftschiffe und Katzen und Eisenbahn und und und. Wer von Myranor nur „Palast der Goldenen Tiger“ kennt, bekommt ein verfälschtes Bild der Spielwelt (besonders nach UdS). Das meinte ich. 🙂
Ah verstehe, das macht sinn 🙂
Mimimi Exotik Mimimimi Katzen Mimimi Alles so anders Mimimi….
Ehrlich… wenn dir die FANTASY in einem Fantasy-Abenteuer nicht gefällt, schließ dich einer Reenactment-Gruppe an – ja, genau, eine von diesen strunzkonservativen Gruppen wo du schon unten durch bist wenn die Knöpfe deiner Unterhose nicht genauestens auf die Epoche abgestimmt sind, glaube das wäre das Richtige – da muß man sich dann auch nicht von lästigen Innovationen ablenken lassen.
Für eines scheint der Efferdwall also doch gut zu sein – Antworten der Form „Wenn’s Dir nicht passt, geht noch nach drüben!“.