Gibt es das lebendige Aventurien eigentlich noch? Oder ist der Metaplot tot? Ist DSA überhaupt noch ein Spiel? Oder ist es nur noch eine immer detaillierter werdende Beschreibung einer Fantasiewelt? Mit der 5. Edition hat das Schwarze Auge fragwürdige Wege eingeschlagen. Aber ganz ist der Metaplot nicht verschwunden. Und auch der Anspruch, ein Spiel zu sein, ist noch vorhanden.
Der Rabenkrieg hat Bewegung in den Metaplot gebracht. In den sechs Bänden der Kampagne haben die Spielerinnen und Spieler die Möglichkeit, das lebendige Aventurien am Spieltisch zu erleben. Doch wie gut gelingt das? Ich möchte mir die sechs Abenteuer der Rabenkrieg-Kampagne mal näher anschauen. Hier ein Blick auf den ersten Teil der Rabenkrieg-Kampagne: Die Zähne des Kaimans.
(Achtung es folgen leichte Spoiler)
Darum geht es in Die Zähne des Kaimans:
Al’Anfa macht seinem Ruf als Pestbeule des Südens alle Ehre und überfällt das benachbarte Dschungelkönigreich Kemi. Die Helden werden von al’anfanischen Imperium für eine neu aufgestellte Spezialeinheit rekrutiert. Ihr Auftrag: Die strategisch wichtige Kemi-Stadt Qinsay infiltrieren, die Verteidigung sabotieren und so einem Geschwader der Schwarzen Armada die Landung im Hafen ermöglichen.
Die spannendste Szene: Das Verhör.
„Rede, du Wurm!“ In Qinsay angekommen sollen die Helden einen Kontaktmann der Al-Anfaner verhören. Dieser kann ihnen Zugang zum Hafen und der Burg verschaffen. Zur Zusammenarbeit ist der Mann aber nur deshalb bereit, weil die Al’Anfaner seinen Sohn in ihrer Gewalt haben. Außerdem haben die Helden den wenig heldenhaften Auftrag, den Kontaktmann nach dem Verhör zu beseitigen. Für viele Spielerinnen und Spieler dürfte das ein Unding sein – wie so manch anderes, was sie im Rabenkrieg tun sollen.
In der Kampagne stehen die Helden auf der Seite des Aggressors und sollen dessen Eroberungsfeldzug unterstützen. Darf man so etwas überhaupt spielen? Sind Helden noch Helden, wenn sie so unheldenhaft handeln? Das Abenteuer weicht dieser Fragen nicht aus, thematisiert ausdrücklich Gewissenskonflikte. Wer möchte, kann die Auseinandersetzung mit Skrupel und Moral sogar zum Leitmotiv der Kampagne machen. Die Zähne des Kaimans gibt immer wieder Hinweise und Hilfestellung für die Suche nach alternativen Lösungen, um die Kampagne auch für Helden mit feststehenden Prinzipien spielbar zu machen – so auch in der Verhör-Szene.
Der lahmste Langeweiler: Die Kriegsvorbereitungen.
Wenn es ein ehernes Gesetz für DSA-Abenteuer gibt, dann dieses: Beginne möglichst langweilig. So auch in Die Zähne des Kaimans. Das erste Kapitel, immerhin über 20 Seiten stark, trägt den Namen Kriegsvorbereitungen. Und es passiert genau das. Hier beginnt die Abenteuerhandlung noch nicht, sie wird nur vorbereitet. Es wird geredet, trainiert, Schiff gefahren, gewandert, dann geklettert und vielleicht zwischendurch gegen eine Vogelspinne gekämpft. Vor allem aber wird sich: gelangweilt.
Die netteste Nebensächlichkeit: Der silberne Rabenorden.
Für ihr Mitwirken an der Eroberung Qinsays wird den Helden der silberne Rabenorden verliehen – vorausgesetzt natürlich, sie waren erfolgreich. Ansonsten können sie sich gerne an der schändlichen Plünderung der Stadt durch die Al’Anfaner beteiligen. Bei einem Wurf von 15 auf der 1W20-Plündergut-Tabelle finden sie Teegeschirr aus Unauer Porzellan. Alternativ könnten sie die Plünderer auch zur Ordnung rufen. Als Helden der Eroberung hat ihr Wort Gewicht.
Die stoppligste Stolperfalle: Das Railroading
Bei einem Abenteuer, das so eng mit dem aventurischen Metaplot verknüpft ist wie Die Zähne des Kaimans, ist klar, dass der Ausgang der Handlung vorbestimmt ist: Qinsay wird von Al’Anfa erobert. Auf dem Weg dorthin haben die Spielerinnen und Spieler jedoch viele Freiheiten. Das Abenteuer kalkuliert sogar ausdrücklich mit ihrem Scheitern und gibt Hinweise, wie damit umzugehen ist. Umso mehr verwundert, dass die Spielerinnen und Spielern immer mal wieder in bestimmte Bahnen gedrängelt werden. Das Abenteuer enthält sogar einen möglichen Zeitplan für deren Aktivitäten in der Stadt (auf die halbe Stunde genau). Irgendwie überflüssig. Hilfreicher wäre ein Zeitplan für die Aktivitäten der NSC gewesen.
Wertung: 4 von 5 Würfel
Der Einstieg ist zäh. Erst mit der Ankunft in Qinsay geht das Abenteuer los. Dann wird es gut, nicht besonders innovativ, aber gut. Auf die Spielerinnen und Spieler wartet ein detailliert ausgearbeiteter Schauplatz, ein klares Ziel und viele Freiheiten. Für diejenigen, die das Spiel leiten, hält das Abenteuer zugleich Hinweise parat, wie auf mögliche Handlungen der Helden reagiert werden kann.
Wie immer etwas lästig ist, dass auch dieses Abenteuer Klein-Klein-Regelergänzungen enthält. Da es sich dabei aber um eine grundsätzliche DSA5-(Fehl-)Entscheidung handelt, soll dies in der Wertung hier nicht ins Gewicht fallen. So bleibt ein – zumindest im Hauptteil – tolles Abenteuer, das das lebendige Aventurien erlebbar macht, ohne die Spielerinnen und Spieler in die Zuschauerrolle zu drängen.
2 Gedanken zu “Rezension: Die Zähne des Kaimans”