Ist die DSA-Community tatsächlich erschlafft? Oder sehen wir nur einen Wandel, wie es ihn in der Geschichte des Schwarzen Auges immer schon gab?
Auf einen Punkt können sich alle einigen: Früher war anders. Nicht alle sind der Meinung, dass die DSA-Community wirklich erschlafft ist. Aber nahezu alle, die sich hier oder an anderen Stellen geäußert haben, sehen einen Wandel in der DSA-Community.
Drei Argumentationsebenen zur Erklärung und Beschreibung des Wandels fallen besonders ins Auge:
1. Nostalgie
Ein diffuses Unbehagen zieht sich durch Teile der DSA-Community. Viele alte DSA-Hasen sehen im Schwarze Auge nicht mehr „ihr“ Spiel. Häufig wird der Bruch an der fünften Edition festgemacht. Stellvertretend für die Gruppe steht der ehemalige DSA-Autor Michael Masberg. Er schrieb im Februar, dass er durch die mit DSA5 „einhergehenden Veränderungen sowohl in der Spielmechanik als auch im Hintergrund“ für sich keinen Platz im neuen DSA mehr sieht.
Viele andere DSA-Spielerinnen und -Spieler dürften das so unterschreiben. Die Antworten darauf, was dieses „neue DSA“ ausmacht und wo die Probleme im Detail zu verorten sind, unterscheiden sich jedoch. Jeder unzufriedene DSA-Fan scheint einen anderen Punkt für seinen Bruch mit dem Schwarzen Auge auszumachen. So hat Zorni bereits vor sechs Jahren in seinem Blog den verlorenen Charme von DSA beklagt und begründete dies mit der Abenteuer-Trilogie Jahr des Feuers.
Oftmals schwingt in solchen Äußerungen eine Portion Nostalgie mit. Früher, so der Eindruck, war DSA anders und irgendwie auch besser. Wobei von einem „besser“ meist nur durch einen nostalgisch verklärten Blick zurück gesprochen werden kann. So manche der früheren DSA-Abenteuer würden viele Spielerinnen und Spieler heute nicht mal mit der Kneifzange anfassen. Selbst die G7-Kampagne, von vielen heute als die DSA-Kampagne schlechthin gefeiert, ist über weite Strecken eine spielspaßbefreite Ödnis.
2. Medienwandel
Wie hat sich die DSA-Community eigentlich im Prä-Internet-Zeitalter ausgetauscht? Über das Schwarze Brett im Fantasy-Shop um die Ecke? Über Briefspiele? Oder gab es damals so etwas wie eine DSA-Community noch gar nicht?
Das, was wir heute als die „gute alte“ DSA-Zeit bezeichnen, mit Foren und Fan-Projekten, ist zumeist eine Erscheinung neueren Datums. Die einst sehr beliebte DSA-Webseite Alveran.org wurde zwar bereits 1997 gegründet. Doch davor gab es bereits 13 DSA-Jahre ohne Alveran. Die Entwicklung der Helden-Software startete im Jahr 2002, ebenso das DSA-Forum. Da war Das Schwarze Auge fast schon 20 Jahre alt. Die erste Version des Dere-Globus-Projektes wurde 2009 veröffentlicht. Nandurion gibt es sogar erst seit 2010.
Wie sich Spielerinnen und Spieler des Schwarzen Auges austauschen und vernetzen, hat sich immer schon gewandelt. Die große Zeit der Foren scheint vorbei, Facebook und Youtube sind derzeit das Medium der Wahl. Statt auf privaten Webseiten wird Fanmaterial nun im Scriptorium veröffentlicht. Und in fünf Jahren wird das erneut anders aussehen und wir werden der guten alten DSA-Zeit hinterhertrauen, als noch auf Facebook über DSA geredet wurde.
3. Demokratisierung
Nick-Nack bezeichnete die Art, wie Ulisses neuerdings Fanbeteiligung organisiert, als eine „Demokratisierung der Entscheidungsfindung“. Tatsächlich gibt es diese Demokratisierungstendenzen nicht nur in Hinblick auf die von Ulisses organisierte Fanbeteiligung. Die DSA-Community, wie sie sich heute im Internet präsentiert, ist vielfältiger, egalitärer und freier als noch vor einigen Jahren.
Der Bedeutungsverlust von großen DSA-Fanprojekten und Foren hat Platz gemacht für neue Formen des Austausches. Die alten Platzhirsche sind verschwunden und damit hat auch ihre Art über DSA zu reden an Bedeutung verloren. Besserrollenspieler, wie sie häufig abschätzig gennant wurde, und eine „Mein Spaß ist aber besser als dein Spaß“-Attitüde bestimmen heute seltener die Diskussionen.
Neue Formen des Austausches wie Facebook-Gruppen sind entstanden. DSA-Gespräche dort sind meist kürzer, schneller und oberflächlicher als in den bekannten DSA-Foren. So manche Forennutzer schauen daher mit einem Nasenrümpfen auf Facebook herab. Es ist aber gerade dieser latent elitäre Habitus, der andere Mitglieder der Community verschreckt und aus den Foren treibt.
Wenn sich ein kleiner Kreis aktiver Forennutzer in seitenlangen Diskussionen über DSA-Details auslässt, ist das nicht die Idealform über DSA zu reden. Diese Form der Kommunikation ist nicht besser als der schnelle Facebook-Austausch. Tatsächlich ist die Möglichkeit zur Teilnahme an DSA-Gesprächen über Facebook offener und freier – manche würde eben sagen: demokratischer.
12 Gedanken zu “DSA zwischen Nostalgie, Medienwandel und Demokratisierung”
Was du vergessen hast, ist aber auch, dass die „Events“ wie die RatCon und das Kaiser Raul Konvent jetzt nach Hause kommen und in der Nähe von Ulisses stattfinden. Die Betreuung ist da viel höher und die Community kann sich dort direkt austauschen. Das hat zwar wieder was elitäres, aber das war DSA schon immer zu eigen. Siehe Briefspiel. Von dem Kaiser Raul Event durfte nicht „live“ berichtet werden und somit wird dort auch die Zusammengehörigkeit der Gruppe vor Ort gestärkt.
Foren und Co gehen eben zurück, da sich dort die Verantwortlichen, eigentlich ja nur Alex plus 2 mal X, eben nicht mehr aufhalten. Der Austausch findet über andere Kanäle statt…
Ich bin bzgl. der „Demokratisierung“ nicht überzeugt. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass Ulisses mittlerweile stärker lenkt als es früher der Fall war. Beispiele wie Alveran, der Wolkenturm, das DSA4-Forum, Wiki Aventurica usw. sind abseits der Firma Fanpro entstanden und hatten zwar jeweils eigene Zielgruppen, aber sind ziemlich frei entstanden. Durch den Kaiser-Raul-Konvent (früher gab es die Briefspiel-Konvents mit Zielgruppe Briefspieler, jetzt ist es ein Pay-for-being-Insider-Con) , die Video-Auftritte von Ulisses-Mitarbeitern bei Let’s Plays usw., sehe ich schon eine recht starke Bindung. Durch die Richtlinien für Fanwerk und die Möglichkeit zur Monetarisiert.
Nur dass jetzt auf Facebook und in Youtube-Kommentaren diskutiert wird, ist für mich keine Demokratisierung als vielmehr ein Verlust an Organisiertheit (Stichwort: Suchfunktion und thematische Kategorisierung).
Es ist halt jetzt schneller, volatiler, es passt vielleicht besser zum Lebensstil derer, die heute in den Zwanzigern sind, aber die Tendenz geht eben auch zu weniger Nachhaltigkeit bzw. Team-Projekten wie Wiki Aventurica.
Sehr gut analysiert, auch wenn speziell Nummer 3 genau falschherum ist. Heute sind die Leute nur lauter, bringen aber weniger Informationen ein.
Punkt 1 kann man so unterschreiben, auch wenn man mit der 5. Edition eindeutig sieht, was vorher (in den Bänden im namenlosen Purpurgewand sehr deutlich, auch sonst seit rund 2011/12 immer öfter) nur angedeutet wurde:
DSA ist heute ein ganz anderes System als Anfang des Jahrtausends, als Ulisses die Lizenzen übernahm.
Egal ob die Weltenbeschreibung, die Rassenbeschreibung und -zeichnung, der Stil und die NPC-Verhalten.
Nur eins ist gleich geblieben: Fähige NPC gibt es nicht, nur durch die Spieler stolpern wichtige NPC nicht über ihre eigenen Füße und verunfallen beim Atmen (sehr massiv übertrieben, allerdings wo 1984 ein Auftraggeber spontan etwas Anderes vor hatte, zeigen heute NPC absolute Entscheidungs- und Führungsschwäche)
Nummer 2 ist auch komplett am Realismus vorbei, da es bereits seit Beginn von DSA Mailboxsysteme etc gab. Heute ist es einfacher für jedermann Zugang zu solchen Communities zu bekommen, was man ihnen auch anmerkt. Wo einst sinnvoll diskutiert wurde, wird heute mehr rumgeschrien und beleidigt.
Wegen DereGlobus muss man aber auch anmerken, dass Google Earth erst seit 2005/2006 gibt.
Hallo,
also ich kann mich noch gut an sehr konstruktive Gesprächsfäden erinnern, die ich auf Alveran.org (oder auch hier bei Arkanil) erlebt habe… aus einigen habe ich dann Spielhilfen zusammengestellt, die schließlich sogar im AvBoten veröffentlicht wurden – natürlich mit einem herzlichen „Dankeschön“ an die Mitglieder des Alveran-Forums 😉
Warum ich diese Praxis nun aufgegeben habe? – gut, Alveran.org gibt’s schon lagen nicht mehr 😉 – aber bei mir ist es ganz simpel:
Ich hab‘ einfach keine Zeit mehr für diese schönste Nebensache der Welt….
Also ganz ehrlich, daß alles von früher immer nur deshalb „gut“ sei, weil man nostalgisch verklärt wäre ist auch so eine These, die einfach nicht haltbar ist, egal wie oft sie wiedeholt wird. Sie wird dadurch nicht wahrer.
Ich finde was bei allen Meinungsbildern derzeit immer fehlt, ist mal jemand der die Unzufriedenen mit der aktullen Lage auch einfach mal ernst nimmt, ohne zu behaupten „ihr meckert ja eh nur, weil ihr der Nostalgie verhaftet seid“.
Das ist ein Totschlagargument, denn ab da ist jegliche Diskussion einfach vorbei und unmöglich. Laos bitte akzeptiert ndlich, daß man vieles alte nicht gut fand, manches aber sehr und damit im Schnitt immer noch mehr „gutes“ am alten findet, ohne nostalgische verklärung, als am aktuellen DSA.
Ohne, dass ich jetzt fest an meine folgende Theorie glaube, aber nur mal so in den Raum geworfen:
Hat bei der Diskussion um die „Erschlaffung“ der DSA-Community auch mal jemand darüber nachgedacht, dass eventuell das Erscheinen von „Splittermond“ einen großen Teil der aktiven DSA4.1 Community hinweg gespült hat?
Es ist ja nun mal so, dass Splittermond einen durchaus signifikaten Anteil von (ehemaligen) DSA Autoren und Spielern anspricht.
Hier hat man im Gegensatz zu Aventurien eine komplett neue Welt, über die geredet/diskutiert/gestaltet wird.
Wenn ich mir die Beteiligung im Splittermond-Forum oberflächlich anschaue, dann ist sie mit dem des DSA-Forums trotz kleinerer Verbreitung ebenbürtig. Und gerade erst im April hat man einen neuen „Besucher online“ Rekord aufgestellt. Es scheint also nicht so zu sein, dass die Foren-Community hier auch zerbröselt.
Daher, mal provokativ gesprochen:
Vielleicht ist Splittermond das Auffangbecken für kreative alte DSA-Säcke, die Ulisses sowie alle die in Waldems wohnen eh doof finden und DSA5 wird zum Anlaufpunkt für PietSmiet-Letsplay-Groupies, deren Wortschatz sich auf „*lol*“ und „awesome!“ beschränkt?
Vermutlich eher nicht… wollts aber mal erwähnt haben!
Wenn ich so drüber nachdenke, könnte da mehr dran sein als ich mir eingestehen will. Wie oft habe ich mich angesichts einer DSA5 Designentscheidung schon gefragt, hatten die bei Splittermond nicht eine bessere Lösung dafür? Vielleicht wäre ich tatsächlich besser beraten zumindest auf das Regelwerk von Splittermond umzusteigen.
Hi Arkanil!
Das ist wirklich ein großes Thema, das du behandelst – und ein wichtiges. Ich denke immer mal wieder darüber nach, was wann und warum anders geworden ist. Nach all den Jahren lassen sich die Gedanken nicht vermeiden, auch um den inneren Abschluss zu finden.
Ich unterschreibe, dass vieles anders geworden ist. Dabei will ich gar nicht einmal völlig der Nostalgie erliegen, dass es früher besser war. Das war es mitnichten, es gab andere Probleme, die mich oft genug nahe an und knapp über die Grenze zum Ausstieg gebracht haben. Da will ich nichts verklären. Dennoch interessierte es mich früher mehr, mich diesen Widerständen zu stellen.
Der Funke der Begeisterung springt nicht mehr über. Dies liegt natürlich auch daran, dass ich selbst ein anderer bin, und die Zeit für DSA am Spiel- wie am Schreibtisch ist nicht mehr da. Allerdings fehlt mir auch die einst starke und lebendige Community, die für mich den besonderen Reiz an DSA ausgemacht hat. Dahingehend war es für mich früher schon besser, zumindest lebendiger.
Beste Grüße!
Michael
Hi,
auch wenn meine Antwort spät erscheint. Ich kann diesem „früher war es besser“ DSA nicht folgen. Es war anders. Meine Liebe zum Spiel ist nie erloschen, ich spiele DSA seit 1985 mit unwesentlichen Pausen. Ich hatte bsw. nach der G7 Kapagne Anfang der 2000er eine kleine Sinnkrise. Das Erscheinen von DSA 5 hat mich aus einem über 12 Jahre DSA 4.1 entwickelten Überdruss befreit und gibt mir die Chance, mein liebstes Rollenspiel wieder mit der Leichtigkeit zu erleben und auch teilweise neu zu entdecken, wie ich es Ende der Achtziger und vor allem bei Erscheinen der 3. Edition verspürt hatte.
Damit ist noch lange nicht alles gut, keinesfalls. Auch heute – wie damals – arbeiten Menschen an der Entwicklung des Spiels. Dahinter stehen monetäre Interessen, eine Firma und ein Wettbewerb, der sich heute anderen Herausforderungen stellen muss als damals. Rollenspiel steht auch in Konkurrenz zu vielen anderen Spielformen, vor allem den PC-Games. Es ist mir als treuer Fan und Spieler wichtig, dass die Ulisses Spiele GmbH ordentlich Geld mit dem verdienen kann, was sie macht. Denn dann kann sie gute Leute beschäftigen und DSA weiterentwickeln.
Dass hin und wieder Konzepte entwickelt werden, die ich persönlich nicht bräuchte … seis drum. Das Gesamtpaket stimmt. Und das entscheidende am Ende ist nach meiner Erfahrung immer: Habe ich Freunde um mich herum, die begeistert DSA spielen und sich auf die Termine freuen. Das habe ich zum Glück.
VG,
Bernd