Es ist wie so häufig. Ein Nischen-Thema bekommt mediale Aufmerksamkeit. Und Nischen-Fans reagieren auf die Berichterstattung mit Häme, Kritik und Ablehnung.
Wired – das Geek-, Freak- und Nerd-Magazin für Technologie, Netzkultur und Dies und Das – veröffentlichte gestern auf seiner Homepage einen Bericht über Das Schwarze Auge. Anlässlich der 5. DSA-Edition schilderte Autor Dominik Schönleben knapp Aufstieg, Niedergang, Probleme und Chancen der deutschen Rollenspiel-Szene.
Gedacht ist der Text für Nicht-Rollenspieler. Kenner der Szene werden kaum Neues darin finden, allenfalls dürften Rollenspieler mit einigen unangenehmen Beschreibungen des Ist-Zustandes hadern. Nicht allein der Erfolg von Brett- und Computerspielen habe demnach zum Niedergang der Rollenspiele geführt. Falsche Design-Entscheidungen hätten zum Absturz beigetragen und aus DSA ein „Spiel für Nostalgiker und Regelfanatiker“ gemacht. Manche DSA4.1-Fans werden das nicht gerne hören.
Aufschrei der Experten
Wer es sich aber in seiner klitzekleinen Rollenspiel-Ecke noch nicht allzu behaglich eingerichtet hat, wird den Wired-Text lesen und an den meisten Stellen zustimmend nicken. Nicht alle Beschreibungen sind stets treffend und manche Schlussfolgerungen diskutabel. Ob die Anfängerboxen von Aborea und Splittermond beispielsweise der richtige Weg sind, um Menschen für das Rollenspiel zu begeistern, sei mal dahingestellt. Unterm Strich aber beschreibt der Artikel treffend die Probleme der deutschen Rollenspielszene.
In den sozialen Medien reagierten Rollenspieler trotzdem mit Ablehnung auf den Text. Die Vorwürfe: Der Autor verwende Begriffe falsch, mache Werbung, kenne die verschiedenen Spielsysteme nicht und habe ohnehin keine Ahnung.
Die Art der Kritik zeigt ein übliches Verhaltensmuster, wenn ein Nischen-Thema in das Licht einer breiteren Öffentlichkeit gezerrt wird: Nischen-Experten reagieren mit einem Aufschrei, sprechen dem Autor jede Kompetenz ab und unterstellen ihm niedere Motive. So muss sich niemand mit Ansichten auseinandersetzen, die der eigenen Binnenwahrnehmung entgegenlaufen.
Das Kreisen um sich selbst
Trotz aller Kritik: Der Wired-Artikel trifft dern Kern. Der Zustand der deutschen Rollenspielszene ist überwiegend erbärmlich. Er ist deswegen erbärmlich, weil Rollenspieler um sich selbst kreisen. Jeder feiert seinen Rollenspielweg, sein System, und ist zwanghaft um Abgrenzung gegenüber all den anderen Rollenspielern bemüht, die einfach nicht einsehen wollen, wie toll doch das eigene Spiel ist.
Die Reaktionen auf den Wired-Aritkel sind beispielhaft für diesen Zustand. Werfen Außenstehende einen kritischen Blick auf die Rollenspielszene als Ganzes, reagieren manche Rollenspieler mit Unverständnis und Ablehnung. In ihrer Wahrnehmung hat nicht die Rollenspielszene ein Problem, nur einzelne Rollenspiele haben Probleme.
Diese Wahrnehmung resultiert auch aus einem fragwürdigen Selbstverständnis der deutschen Rollenspiel-Community, in der Kritiker keine Netzbeschmutzer sein wollen. Die Szene sei schließlich klein und alle säßen im selben Boot. Das Letzte, was man möchte, ist schlecht über Kollegen und deren Produkte reden. Öffentliche Kritik ist verpönt. Lieber dreht man sich eng umschlungen im Kreis.
15 Gedanken zu “Wired berichtet über Rollenspiel – Rollenspieler sind empört”
Hallo Arkanil,
ich habe den Artikel auch gelesen, stimme ihm teilweise sogar zu, teilwesie übertreibt er auch.
Splittermond aber als Indie-System zu bezeichnen fand ich schon sehr lustig. Uhrwerk ist ja nun alles andere als klein.
In Deutschalnd ist jeder Rollenspielverlag bis auf Ulisses klein oder winzig.. 😉
Ich fand den Artikel zwar sehr gut, aber mies recherchiert. Wer sich etwas in der Branche auskennt, weiß das auch, was ich beispielsweise meine (Splittermond als Indie und solche Granaten)
Er ist informativ und zeigt eigentlich sehr gut, wo es wirklich hapert, und warum es viele Vereine so schwer haben, mit Vorurteilen umzugehen.
Das DSA 4 quasi für Einsteiger ohne Anleitung nicht mehr handelbar war, ist eines der schlimmsten Ereignisse für die Szene gewesen. Denn die weichen dann ja nicht aus, sondern brechen einfach weg. Von daher bin ich auf DSA light gespannt, das war doch mal angekündigt!?
Drüben bei obskures ( http://obskures.de/2015/wired-rollenspiele-haben-2015-keine-chance-mehr-das-schwarze-auge-plant-trotzdem-sein-comeback/ ) habe ich geschrieben, warum ich den Artikel alles andere als gut finde.
Es stimmt, dass DSA und andere „große“ RSP in Deutschland ihre Probleme haben. Doch: Dem Artikel gelingt weder eine nachvollziehbare Beschreibung der problematischen Teile noch eine Herleitung. Kurz: Es bleibt bei >> ein „Spiel für Nostalgiker und Regelfanatiker“<<. Nachvollziehbarkeit sieht anders aus. Sorgfältiges Arbeiten (inkl. richtiger Widergabe der Aussagen der Gesprächspartner – vgl. Link im Beitrag nach g+) sieht anders aus.
Und genau darin liegt die große Schwäche des Artikels: Er weiß nicht, was er sein will. Ein Interview mit Rollenspiel-Machern? Eine Kritik eines Nischen-Hobbys? Ein Bericht über die neue Auflage von DSA? Ein Vorstellung des Spielgenres "Tischrollenspiel"?
Fazit: Was den Artikel für mich schlecht macht, ist nicht die Kritik der Spiele am deutschen RSP-Markt, gewisser Fan-Kreise oder deutschen Rollenspielszene an sich. Das haben andere vor vielen Jahren beißender und treffender hinbekommen ( http://www.lorp.de/magazin/artikel.asp?id=144 ). Es ist seine konturlose, unsystematische Wankelmütigkeit, mit dem er sich dem Thema widmet.
Der WIRED-Artikel ist gut. Du beschreibst hier ja auch richtig, dass er sich nicht an die Community wendet, sondern an breitere Leserkreise. Spannend wie die Einschätzungen, z.B. was nun „Indie“ ist und was nicht, kollidieren.
Nun kann so ein Artikel sicher nicht das komplette Rollenspielthema umreißen. Aber was man dem Artikel noch hinzufügen könnte, wären Best Practice Beispiele. Splittermond mag da aus regeltechnischer Sicht gut sein. Aber z.B. Numenera (https://www.startnext.com/numeneradeutsch) zeigt, dass man auch wirtschaftlich neue Wege gehen kann. Ins Feld führen könnte man auch die „lebendige Geschichte“ von DSA – fast ein Alleinstellungsmerkmal und auch umstritten, ob es toll ist und zur Immersion beiträgt oder alles nur zu kompliziert macht…
Unterm Strich also ein lesenswerter und bereichernder Artikel und keine Doktorarbeit über Rollenspiele mit Anspruch auf allgemeingültige Wahrheiten 😉
„Öffentliche Kritik ist verpönt. Lieber dreht man sich eng umschlungen im Kreis.“ Also das wäre mir jetzt doch neu.
Stimm Arkanil zu, aber auch was BASTIAN dazu geschrieben hat. Mir hat positiv gefallen, dass es zu DSA einen Wired-Artikel gab. Leider tauchen die aktuellen wirklich großen enticklungen gar nicht auf. Das mit TEARS von Rocket Beans TV (einem Zombie-Setting, das klar von DSA abgeleitet ist) P&P Rollenspiele grad wieder auf Youtube ein junges Massenpublikum erreicht hat ist m.E. für die Chance wieder zu wachsen wichtiger als alle anderen Entwicklungen in der Rollenspielszene seit der Jahrtausendwende.
Um so wichtiger, wenn mit DSA-Klassik bald ein Produkt erscheint, dass diese Zielgruppe auch vernünftig ansprechen kann. Was fehlt ist auch eine Öffnung der Szene dahin wieder aktiv mehr Jugendarbeit zu machen. Und einfach andere Werbestrategien um die youtube-Gererations-Leute zu erreichen, die jetzt durch Rocket-Beans u.a. angefixed sind.
Numenera z.B. ist für Einsteiger 1000mal besser geeignet als auch DSA 3 es war und hat einfach viel leichtere Sinnige regeln. Trotzdem wird es m.E. (genauso wie Splittermond u.a.) keine so große Kreise ereichen, dass es wirklich breite Kreise von neuen Spieler_Innen mobilisieren könnte. Eher von DSA abgesessene oder zumindest Zeitweise mal nach einer alternative Suchende Spieler_Innen sind wahrscheinlicher.
Die Tutorial-Videos von Orkenspalter und Ulisses sind z.B. glaub ich sehr wichtig.
@Athair: Vielen Dank für die Verlinkung.
@Arkanil: Das Konzept des Andersdenkenden ist Dir bekannt? Unter Umständen verstehen wir etwas anderes unter „Kenner der Szene“?
Kritisches Hinterfragen und Empörung ist nicht kausal das Gleiche, zumindest nach meinem Verständnis. In den 80ern waren Rollenspieler „durchweg durchgeknallte Satanisten“. Szenekritik gehört quasi zum Geschäft, aber unzulänglich aufbereitete und zudem tendenziöse Medienberichte erlaube ich mir infrage zu stellen. Von professionellen Journalisten erwarte ich etwas anderes bzw. mehr. Gleich mehr dazu.
Wie auch immer, zumindest zwei der Interviewten, nämlich U. Lindner und P. Götz, scheinen mit Auslegung ihrer Aussagen nicht ganz zufrieden zu sein. Der Artikel scheint unglückliche „Verkürzungen“ aufzuweisen, um es so auszudrücken. Siehe Kommentare: https://goo.gl/4brDyN
„Szenekenner“ wissen ferner, dass dort auch Journalisten eine andere Meinung vertreten und die Qualität des Wired-Artikels eher kritisch sehen, um es euphemistisch auszudrücken.
In den Kommentaren (http://goo.gl/8UqhEc) zu meinem Beitrag, verweise ich auf ein Interview (engl.) zwischen Zak Smith (D&D with Pornstars) und Ken Hite (Trail of Cthulhu, Night’s Black Agents), dass qualitativ in einer anderen Liga spielt.
Eine der Antworten lautet dort: “ … stop thinking of games as insanely expensive, hard to sell magazines that have to keep going forever. Think of them as small press books, which in fact they are. Not every novel is a series; not every game needs splats and expansions. Most don’t … “
Dies trifft meines Erachtens die „Lebenswirklichkeit“ der allermeisten Rollenspiele – auch in D – besser und ist deutlich weniger negativ konnotiert als die Wired-Schreibe. Im Zweifel würde ich mich mit „Experten“ darüber unterhalten.
Wenn Du über „Kritik oder Kritisches“ reden willst, dann würde ich mit der Diskussionskultur und den Umgang mit Andersdenkenden beginnen.
Wie immer gilt: ymmv!
Oh man, was ein Aufreger….not.
Der Artikel setzt RPG und DSA 4 irgendwie gleich, regelleichte Systeme gibt es genug.
Savage Worlds z.b. und Material für Einsteiger gibt es auch Runenklingen z.b.
Das Arborea so gut abschneidet wundert mich nicht, bei 13mann würde ich wohl nicht mal einkaufen wenn es das RPG Monopol für Deutschland hätte.
Arrogante Abbürsten von Kundenfragen, Besuch uns doch dafür auf der RPC, die beiden mit Abnstand schlechtesten Support Ru´nden die ich je erlebt habe, Korrektur die einzigen und gehörten auch zu meinen schlechtesten Con Erlebnissen und das lag an 13mann.
a) Mit langjähriger Printerfahrung kann ich sagen: Der Wired-Artikel ist das zeilenweise bezahlte Geschreibsel eines Freien, der 5 Minuten Wikipedia und ein kurzes Telefonat für „Recherche“ hält. (Sollte ich mich täuschen – umso schlimmer). Das ist die Arbeitsweise, die uns so Perlen bringt wie „Diabetes durch Kaffee heilbar“ und ähnlichen Ramsch.
Schlechter Journalismus ist schlechter Journalismus, egal ob er RSP behandelt oder Krebstherapien. Selbstverständlich rege ich mich drüber auf. So wie auch der Wissenschaftler, wenn er mal wieder lesen muß, was ein leistungsschutzrechtbehüteter deutscher Kwalitätsschurnalist aus seinen Ergebnissen fabuliert hat.
b) War es einer der Grundzüge des Wired-Artikels, DSA solle sich sehr mehr an den „Indies“ (haha) wie „Splittermond“ orientieren. Wir könnten genau diesen Punkt weiter ausarbeiten, aber die unfreiwillige Komik dieses „Gedankens“ sollte evident sein.
c) Gehst Du als Prämisse davon aus, der „Zustand“ der „Szene“ (nicht definiert) sei „erbärmlich“ (nicht begründet). Wenn Du das fundieren würdest, wäre es vielleicht eine Diskussion wert, so haltlos wie das einfach hingeworfen wurde, sach‘ ich simpel „Nö, stimmt nicht“. Und begründe das auch nicht.
d) Deinem letzten Absatz mit den Samthandschuhrezensionen stimme ich vorbehaltlos zu.
e) Das Schöne an diesem Wired-Artikel – den ich andernorts schon verrissen habe – ist, daß er auch eine Zustandsbeschreibung großer Teile unserer Medienwirklichkeit ist. Mit anderen Worten: Hier habt ihr mal gemerkt, was für ein Murks so geschrieben wird.
Meint ihr, das sei bei anderen Themen besser? Nö. Da merkt ihr es nur nicht. Insofern: schlechter Artikel über RSP, gute Schulung in Sachen Medienkompetenz.
Hallo zusammen,
ich kann über den Bericht sagen, dass ich durch ihn erst auf P&P gestoßen bin.
Hab mir trotz DSA- Aufmache (BIlder,…), das Splittermondeinsteigerset gekauft und bin rundum zufrieden 🙂 und werde P&P ab sofort als festes Hobby „betreiben“.
Vll gibts mehrere, die wie ich, den inhaltlichen Wert des Artikels nicht bewerten können, aber über ihn erst in das P&P Universum gelockt werden ?