Rund drei Wochen sind seit Erscheinen des neuen DSA-Grundregelwerks verstrichen. Zahlreiche Diskussionen wurden seitdem geführt, etliche Texte geschrieben. In drei Blog-Beiträgen habe ich mich bereits mit der 5. Regeledition für Das Schwarze Auge beschäftigt:
- Ein Blick ins DSA5-Grundregelwerk
- DSA5 und die Neuentdeckung der Geweihten
- DSA5-Kämpfe: Schneller, aber nicht schnell
Nun, nach drei Texten und zwei Testspielen ist die Zeit für eine abschließende Wertung gekommen.
Darum geht es:
Es geht um nicht weniger als das „beste DSA aller Zeiten“. Mit der 5. Regeledition soll DSA schneller, schöner, einfacher, spaßiger, einsteigerfreundlicher und überhaupt ganz großartig werden. Zwei Jahre wurde am neuen Regelwerk gefeilt. Umfragen wurden gestartet, Forenthreads gefüllt, Workshops abgehalten und eine Beta-Phase wurde in den Sand gesetzt.
Ziel war ein Regelwerk, das sich immer noch wie DSA anfühlt und DSA-Veteranen nicht vor den Kopf stößt, zugleich aber weniger Hürden aufbaut und Rollenspiel-Anfängern und DSA-Neulingen den Einstieg in die Welt des Schwarzen Auges erleichtert.
Das beste Kapitel: Die Heldenerschaffung.
Mit der Heldenerschaffung bei DSA4.1 hatte ich nie ein Problem. Ich musste mich auch nie damit beschäftigen. Dafür gab es schließlich ein Computerprogramm. Oder wie Zwart es treffend formulierte: „Das größte Armutszeugnis“ (im Video ab ca. Minute 14:00).
Mit der neuen Regeledition habe ich seit langer Zeit wieder einen DSA-Helden per Hand generiert. Das ging nicht nur recht flott, das hat sogar Spaß gemacht. Es ist auch überhaupt nicht schlimm, dass das Grundregelwerk nur eine begrenzte Auswahl an Kulturen und Professionen enthält. Denn mit DSA5 kann ich Helden ohne vorgefertigte Pakete generieren, ganz nach meinen Vorstellung. Das ist der helle Wahnsinn.
Die größte Enttäuschung: Das Heldendokument.
Vier bis fünf Seiten hat der DSA5-Charakterbogen. Das geht bestimmt auch kompakter. Und hübscher. Denn das DSA5-Heldendokument ist nicht nur sehr umfangreich, es ist auch… ja… ich sag’s einfach… es ist hässlich.
Die coolste Idee: Die Vereinheitlichung.
Nie hätte ich erwartet, dass DSA5 so (vergleichsweise) radikal aufräumt. Endlich hat sich das Schwarze Auge verabschiedet von diesem Mantra: Gibt es in der Spielwelt einen Unterschied, muss es auch im Regelwerk einen Unterschied geben. Diese sogenannte simulationistische Ansatz hat DSA an den Rande der Unspielbarkeit geführt (und nicht selten darüber hinaus).
Mit dem DSA5-Grundregelwerk wurden die Regeln in vielen Bereichen angeglichen, vereinfacht und vereinheitlicht. Das Schwarze Auge ist dadurch endlich wieder ein Spiel und nicht länger der Versuch einer Simulation.
Die holprigste Stolperfalle: Die Berechnung der Basiswerte.
Trotz der zahlreichen und sinnvollen Vereinheitlichung gibt es immer noch einzelne Regeldetails, die mich ein wenig ratlos zurücklassen. Zum Beispiel: Die Berechnung der Basiswerte. Fast jeder Wert wird auf eine andere Art berechnet. Besonders schlimm ist die Berechnung der Werte für Seelenkraft.
Seelenkraft: Grundwert der Spezies + (Mut + Klugheit + Intuition)/6
Was soll dieser Divisor von 6? Warum nicht gleich die Wurzel aus der Summe der drei Eigenschaftswerte? Das wäre konsequent. Dann läge das Ergebnis bei 99 Prozent aller Helden bei 6 oder 7. So ist das nur in 95 Prozent der Fälle so.
Dafür gibt es Pluspunkte: Für Aussehen und Layout.
Das DSA5-Grundregelwerk ist nicht nur endlich farbig, es ist auch übersichtlich, gut lesbar und klar strukturiert. Nur in seltenen Fällen habe ich nach einer Angabe suchen müssen. Das allermeiste steht da, wo ich es brauche und ist verständlich erklärt. Ich bin zudem immer noch überrascht, welch großen Einfluss das Aussehen hat. Allein beim Blättern im Regelwerk möchte ich DSA5 spielen.
Dafür gibt es Minuspunkte: Für das Mini-Bestiarium.
Drei Dämonen, zwei Elementare, drei Vertrautentiere und ein Pferd und ein Hund. Das ist doch kein Bestiarium. Das ist gar nichts. Zumindest Werte für einen Ork, einen Goblin und drei oder vier kleinere Monster hätten zwingend in dieses Kapitel gehört.
Wertung: 5 von 5 Würfel
Machen wir uns nichts vor, DSA ist immer noch DSA. Es gibt immer noch die 3W20-Probe, es gibt immer noch die aktive Parade, es gibt immer noch Talente wie Tanzen oder Brett & Glücksspiel. Aber das ist nur ein eingeschränkter Kritikpunkt, denn eines der Ziel der neue Edition war schließlich: DSA sollte DSA bleiben.
Im Rahmen dieser Möglichkeit hat Ulisses das Maximum aus dem Regelwerk herausgeholt. Und das ist nicht wenig. Mit der 5. Edition hat der Verlag aus einem dysfunktionalen System mit unzähligen Fehlern ein geschmeidiges Regelwerk gemacht. DSA5 funktioniert. Es funktioniert vor allem deswegen, weil Ulisses sich darauf besonnen hat, dass die Regeln das Spiel fördern sollen, anstatt ihm im Weg zu stehen.
Die Entwicklung von DSA5 habe ich lange mit großer Skepsis verfolgt. Erwartet hatte ich bestenfalls ein leicht verändertes Regelwerk, ein DSA4.2. Aber ich habe mich geirrt. Mit der 5. Regeledition hat Das Schwarze Auge einen Riesenschritt nach vorne gemacht. DSA5 ist nicht über jeden Zweifel erhaben. Einzelne Regeldetails scheinen nicht ganz ausgewogen zu sein. Aber das juckt mich kein Stück. Endlich hat DSA wieder ein Regelsystem, das Spiel und Spielspaß nicht bremst, sondern fördert.
Fakten und Zahlen
- DSA5 Regelwerk
- Verlag: Ulisses Spiele
- Umfang: 414 Seiten
- Erscheinungsdatum: 6. August 2015
- Preis: 49,95€ (Hardcover), 19,95€ (s/w-Softcover), 9,95€ (PDF)
10 Gedanken zu “Rezension: DSA5-Grundregelwerk”
Schließe mich nach den ersten EIndrücken von DSA 5 und einer kurzen Testrunde als Spieler einfach mal diesem Fazit an:
„Im Rahmen dieser Möglichkeit hat Ulisses das Maximum aus dem Regelwerk herausgeholt. Und das ist nicht wenig. Mit der 5. Edition hat der Verlag aus einem dysfunktionalen System mit unzähligen Fehlern ein geschmeidiges Regelwerk gemacht. DSA5 funktioniert. Es funktioniert vor allem deswegen, weil Ulisses sich darauf besonnen hat, dass die Regeln das Spiel fördern sollen, anstatt ihm im Weg zu stehen.“
„Geschmeidig“ ist veilleicht a bisserle übertrieben, aber insgesamt kann man sich jetzt wieder freuen, wenn man zu einer Runde DSA eingeladen wird.
Also ich habe vor ein paar Wochen mit DSA angefangen und zwar mit 4.1. DSA 5 finde ich einfach nur schlecht, weil alles so stumpf und wenig komplex ist. Ich finde es macht deutlich mehr Spaß Helden mit den grenzenlosen Möglichkeiten von Wege der Helden zu generieren. Außerdem Gibt es bei DSA 5 nicht so viele komplexe Regeln, die ich sehr cool fand. Mir hat es gerade gefallen, dass DSA eine möglichst realistische Simulation einer Fantasy Welt geworden ist. Schade. Sie hätten nur 4.1 nochmal überarbeiten müssen, dann wäre es perfekt gewesen aber stattdessen schmeißen sie alles über den Haufen, nur damit Einsteiger das Spiel schneller erlernen.
Dass das Erstellen nun wieder per Handarbeit geht, ist schon mal richtig gut. Das war nämlich nervtötend, und das Punktegeschiebe in der (zwingend notwendigen) Helden-Software war auch nicht gerade einfach. Im alten DSA4.1 war Charaktergenerierung eine Strafe.
Wenn dein Kriterium für die Bewertung war „DSA soll DSA bleiben“ dann stimme ich deiner Bewertung zu. Für mich ist das ein komisches Kriterium, weil es unnötig konservativ ist. Ich habe mit DSA1 angefangen und ginge es nach meinem ersten SL, gäbe es die 3W20-Probe nicht. DSA ist also mit DSA2 eben nicht „DSA geblieben“, obwohl es erst dadurch für viele „DSA geworden“ ist.
Ich hatte gerade eben auf einer Con die Freude, von einem Ulisses-Supporter Neuheiten in DSA5 nahegelegt zu bekommen. Da fielen mir die Konditionen und Zustände auf. Erst dachte ich mir, das wäre doch mal eine feine Neuerung – wäre sie denn schlank geblieben. Statt dessen ist sie mal wieder wuchtig, vier Stufen mit verschiedenen Effekten überall, und haufenweise Detail… Mit solchen – meiner Meinung nach – unhandlichen, schwergewichtigen Regeln wird DSA halt nie so wirklich meins. Muss es ja auch nicht.
Aber ich sehe schon, dass damit immer wieder ums Neue eine Chance verschenkt wird, ein richtig schlankes, knackiges, einsteigerfreundliches, vielleicht auch universelles Regelwerk zu machen, weil DSA ja DSA bleiben muss… Als Neuling ohne Gruppe würde ich vor dem Regelwerk wahrscheinlich immer noch schreiend davonlaufen. Mein Gefühl ist, dass das Hobby in Deutschland einige Neueinsteiger vergrault, weil es auf unnötig verschnörkelte Regelmonster setzt, die sich mit Minimalreformen immer weiter fortpflanzen. Über Shadowrun 5 wurde gesagt, der beste Weg es zu lernen, sei jemand zu finden, der Shadowrun 4 beherrscht. Und auch DSA5 „ist sich treu geblieben“ und somit auch nicht im entferntesten leichtgewichtig geworden. Splittermond ist es ja wohl mit seinem Tick-System auch nicht.
Komplexe Würfelsysteme, hart abzuschätzende Erfolgschancen (DSA, Splittermond), 400-Seiten-Regelbücher… Ich glaube nicht, dass ich damals mit sowas den Einstieg ins Hobby gefunden hätte. Oder Mitspieler, die das zum ersten Mal machen. Wenn ich komplette Neulinge anlerne, dann mache ich das mit Dungeonslayers. Da habe ich wenigstens die Hoffnung, dass sich jemand mal hinsetzt und das lernt, und die selber zu spielen anfangen.
Von dem, was mir wichtig ist, ist DSA5 somit kein großer Wurf, sondern ein Reförmchen. Die Community schmort weiter im eigenen Saft, und die Einstiegsschwelle bleibt hoch. Das ist meine persönliche Bewertung und ich finde das für das Hobby schade, weil so viele Neuspieler schon nach DSA fragen, einfach weil man den Namen kennt.
Vorweg: Wenn ich nochmal in einer Rezension lese, dass das die Farbseiten superschön geworden sind, muss ich brechen… Wenn das das einzige ist, was ich über das Regelwerk sagen kann, sollte man lieber gar nichts sagen. Man bewertet Tetris auch nicht nach der Grafikengine.
Man kann es echt nicht mehr hören, zumal zum Layout auch ein ordentlicher Index gehört, der in dem Buch ein ziemlich er Fail ist.
Der Oberfail, da gebe ich Arkanil absolut recht, ist das Mini-Bestiarium. Im Ulisses-Forum haben sich schon absolute Neulinge gemeldet, die es ja wider Erwarten einiger tatsächlich gibt, und fragen nach mehr Monstern.
Man verkauft also ein Spiel, das ohne die alten Regelwerke und ohne Konvertierung eigentlich gar nicht spielen kann. Das ist wirklich schade und muss dringend abgestellt werden.
zweimal Veto.
Wenn Vergleiche offenbar erlaubt sind:
Ein Auto muss nicht nur Spaß machen und Öko sein, es muss auch aussehen. Auch der hundertste Rezensent hat das Recht das Kriterium zu bewerten. Es gibt immer Leute, die sich verbeulte gelbe Gebrauchte kaufen, wenn sonst alles stimmt – aber bei den meisten isst das Auge mit.
Ein miniminimini-Bestiarium ist für mich vollkommen i.O., wenn nach zwei Monaten ein Almanach hinterher kommt. Jede Seite Kreaturenbeschreibung im Regelwerk ist in meinen Augen verschwendeter Platz.
Herzlichen Dank @ Arkanil. prinzipiel: *sign* … aber:
Ich wundere mich, dass Du der Rezension das Prädikat „abschließende Wertung“ zukommen lässt. Obwohl ich Deine Zuneigung zu DSA5 teile, muss ich leider misstrauisch bleiben, solange nicht die weiteren Regelbände (und wohlmöglich Regionalbände mit lokorionären Regelspezialitäten) erschienen sind; und mich deshalb auch eines endgültigen Urteils enthalten. DSA4.1 wirkte auf mich nach (400 Seiten) * (4 Wochen) auch noch nicht unerträglich!