Space Opera. Das sind dramatische Abenteuer auf fernen Welten, voller fremdartiger Wesen und mit riesigen Raumschiffen, das ist das Fliegen mit Überlichtgeschwindigkeit, das Blitzen von Lasern, das sind Raumpiraten und interstellare Kriege. Space Operas sind wie gemacht für das Rollenspiel. Dennoch fristen Space Operas als Rollenspielgenre eher ein Schattendasein. Eines der wenigen Space-Opera-Rollenspiele im deutschsprachigen Raum ist Nova.
Nova entstand 1996 Jahren als Hobbyprojekt von Daniel „Scolaris“ Schuler. Seine Leidenschaft für Science Fiction steckte er in die Erfindung seines „eigenen“ Universums, dem er und seine Mitstreiter über die Jahre mehr und mehr Leben einhauchte. Herausgekommen ist das fast 500-seitige Nova-Basisbuch, dessen zweite Auflage seit 2012 von Prometheus Games verlegt wird. Für 49,95 Euro bekommen Rollenspieler ein, nach eigener Beschreibung, echtes „Space Epos“ mit allem, was dazugehört: Außerirdischen, Planeten, Raumschiffe und neuen Technologien.
Doch ist das Nova-Basisbuch wirklich mehr als das Privatprojekt eines begeisterten Sci-Fi-Rollenspielers? Kann Nova auch andere Rollenspieler begeistern?
Das Nova-Universum
Nova versetzt die Spieler in das 27. Jahrhundert. Die Menschheit hat sich über die Galaxis ausgebreitet, ist jedoch in verschiedene Sternenstaaten, Kulturen und Ideologien zersplittert. Die Reiche der Menschen konkurrieren nicht nur untereinander um Macht und Einfluss, zahlreiche nichtmenschliche Spezies fordern ebenso ihren Anteil am galaktischen Kuchen.
Im Zentrum des Nova-Universums, der Zentralen Sphären, befindet sich das Imperium. Es ist das mächtigste Menschenreich, das erste interstellare Staatsgebilde der Menschheit, die Hochkultur schlechthin. Die politische Struktur des Imperiums ist angelehnt an das römische Reich der Antike. Andere Menschenreiche stehen ebenfalls in irdischen Traditionen, wie z.B. das asiatisch geprägte Guanku oder die von Anhängern des Islam bewohnte Ahmandischen Republik.
Neben Menschen tummeln sich im Nova-Universum eine Handvoll nichtmenschlicher Spezies. Es gibt reptilienartige Metoniden, ameisenartigen Cassiopier, aquatische Minelauvaner, die krakenähnlichen Veganoiden, ein symbiotisches Wesen mit übernatürlichen Fähigkeiten, und noch ein paar andere kulturschaffende Wesen. Im Gegensatz zu anderen SciFi-Universen ist die Zahl der nichtmenschlichen Spezies aber beschränkt. Manche von ihnen herrschen über bedeutende interstellare Reiche, andere spielen im galaktischen Ringen um Macht nur eine Nebenrolle.
Detaillierte Beschreibung der Spielwelt…
Was beim Blättern durch das Nova-Basisbuch sofort auffällt: Detailreichtum, Tiefe und Vielfalt der Spielwelt sind enorm. Die Beschreibung des Nova-Universums und der dort beheimateten Reiche und Völker nimmt annährend die Hälfte des Buches ein und gliedert sich in 23 Kapitel.
Autor Daniel Scolaris verrät im Vorwort zum Nova-Basisbuch, dass er ursprünglich gar kein Rollenspiel schreiben wollte. Am Anfang stand das Erträumen einer fernen, zukünftigen Welt. Erst später kam der Wunsch auf, sein eigenes Universum für andere Personen erlebbar zu machen. So entstand das Nova-Rollenspiel.
Diese Entstehungsgeschichte merkt man Nova an. Jede Seite des Basisbuchs steckt voller Details einer mit viel Einsatz und Begeisterung ausgestalteten Spielwelt. Die erste Version des „NOVA-Gesamtwerkes“ aus dem Jahr 2000/2001 hatte 150 Seiten. Seitdem ist das Nova-Universum deutlich gewachsen. Das vorliegende Basisbuch mit knapp 500 Seiten ist das Ergebnis dieser jahrelangen intensiven Arbeit und Weiterentwicklung einer Spielwelt – im Positiven wie im Negativen.
…die aber nicht leicht zugänglich ist
Am Anfang von Nova stand das Universum, nicht das Rollenspiel. Das gilt bis heute. Im Mittelpunkt von Nova steht immer noch die detaillierte Beschreibung einer vielfältigen Welt, aber nicht das Spiel. Es ist daher nicht leicht, einen Zugang zu Nova zu finden. Die Spielwelt ist so groß, vielfältig, komplex – wo anfangen, wo einsteigen?
Dem Nova-Universum fehlt ein übergeordnetes Leitthema, das die Einordnung erleichtert; es fehlt ein roter Faden, ein Alleinstellungsmerkmal. Die Beschreibung der Spielwelt ist durchdacht, verliert sich aber teils in nebensächlichen Details. Es ist sehr schwer, das Nova-Universum mit wenigen Worten prägnant zu beschreiben. Für ein Spiel – und Nova ist ein Spiel, nicht nur die detaillierte Beschreibung einer Fantasiewelt – wäre eine stärkere Fokussierung hilfreich.
Erschwerend kommt hinzu, dass das Nova-Basisbuch nicht sehr übersichtlich aufgebaut ist. Wichtige Informationen sind in langen Fluff-Texten versteckt. Die sind mal mehr und mal weniger interessant zu lesen sind, erschweren aber in jedem Fall die Suche nach den relevanten Hinweisen. Zudem sind inhaltlich zusammenhängende Abschnitte oft über mehrere Kapitel verstreut, so dass ein häufiges Blättern notwendig ist. Sich mal eben einen Überblick über Volk X oder Reich Y zu verschaffen, ist schwer möglich.
Warum das Nova-Universum?
So stellt sich die Frage, was Nova denn besonders macht und von anderen Space Operas unterscheidet. Warum sollte ich im Nova-Universum spielen? Außerirdische, Planeten, Raumschiffe und neuen Technologien gibt es auch woanders.
Eine zaghafte Antwort auf diese Frage findet sich in den Ereignissen rund um die Beta-Pictor. Vor 200 Jahren kam es zu einem gewaltigen Krieg zwischen den Menschen und dem Kontinuum der Beta-Pictor, einer geheimnisvollen und hochentwickelten Erobererrasse. Obwohl der Sieg des Kontinuums sicher schien, willigten die Beta-Pictor überraschend in ein Waffenstillstandsabkommen ein. Über die Motive der Beta-Pictor wird bis heute gerätselt.
In diesen Ereignissen liegen die Ansätze eines Metaplots, mit dem die Nova-Autoren die Spielwelt auch künftig weiter entwickeln möchten. Was auch immer man als Rollenspieler von einem Metaplot hält – für Nova liegt im Metaplot die Chance auf eine stärke Fokussierung der Spielwelt. Ob die Beta-Pictor im Mittelpunkt des Metaplots stehen werden, ist unklar. Doch wenn dem so wäre, ließen sich irgendwann leichter Antworten auf die Fragen geben, was Nova besonders macht und warum man im Nova-Universum spielen sollte.
Die Regeln
Das Regelsystem von Nova ist modular aufgebaut und ordnet Regelmechanismen und -modulen einen Komplexitätslevel zu. Das Grundgerüst der Regeln lässt sich besonders im Bereich der Charaktergenerierung und des Kampfes modular ausweiten. Je höher der Komplexitätslevel am Ende ist, desto länger dauert die Charaktergenerierung.
Ein Nova-Charakter entsteht
Bei der Erschaffung eines Charakters können Spieler einen von 13 Basistypen (Völker) wählen. Je nach gewähltem Typ stehen unterschiedliche viele Start-Erfahrungspunkte (EP) zu Verfügung, mit denen die Werte des Charakters „gekauft“ werden. Nova kennt Eigenschaften (angeborene Fähigkeiten, wie z.B. Mut oder Intelligenz) und Kenntnisse (erlernte Fähigkeiten, wie z.B. Technik oder Akademik) und Energien (wie z.B. Lebensenergie oder psychische Energie).
Die meisten Punkte werden auf die Eigenschaften verteilt, von denen es – da bleibt Nova seinem hohen Detailgrad treu – stolze elf Stück gibt. Je nach gewähltem Basistyp stehen zusätzliche Punkte zu Verfügung, mit denen sich Sprachen, Techfähigkeiten oder Paranormik lernen lässt.
Aus den Eigenschaftswerten werden die Werte für Lebensenergie oder Initiative berechnet, aber auch die Werte für Kenntnisse wie z.B. Kampf oder Handwerk. Der gerundete Mittelwert zweier Eigenschaften ergibt immer einen Kenntniswert. In der Basisversion des Nova-Regelsystems gibt es allerdings nur zehn Kenntnisse. Ich betone das mal ausdrücklich: Elf Eigenschaften, zehn Kenntnisse. Hm…
Das ändert sich erst mit dem Zusatzmodul „Spezialgebiete“. Dadurch werden jeder Kenntnis zwischen vier und neun Spezialgebiete zugeordnet. Die Kenntnis „Kampf“ erhält dadurch Spezialgebiete wie „Waffenloser Kampf“ oder „Gewehre“. Die Werte der Spezialgebiete errechnen sich fortan aus den beiden zugehörigen Eigenschaftswerten, die nunmehr durch 4 statt 2 geteilt werden, und den Spezialgebietspunkten, die mit zusätzlichen EP gekauft werden. Damit gleichen die Spezialgebiete den Fertigkeiten bzw. Talenten anderer Rollenspiel.
Egal ob die Charaktererschaffung mit den Basisregeln oder mit zusätzlichen Modulen erfolgt: Es braucht Zeit. Mindestens eine Stunde sollte man laut Autor einplanen.
Die grundlegenden Regelelemente
Die Regelmechanismen in Nova sind erfreulich kurz und einheitlich. Grundsätzlich werden nur sechsseitige Würfel (W6) benutzt. Wie viele Würfel für eine Probe zur Verfügung stehen, hängt vom Wert den Eigenschaften oder den Kenntnissen bzw. Spezialgebieten ab, die zum Einsatz kommen sollen. Dabei ist ein wenig Kopfrechnen gefragt. Der benötigte Wert des Charakters wird zunächst durch 4 geteilt. Das ganzzahlige Ergebnis sind die Anzahl der W6, die gewürfelt werden, der Rest wird auf das Würfelergebnis addiert. Klingt komplizierter als es ist.
Beispiel: Charakter Zaphod muss eine Probe auf sein Spezialgebiet Lügen ablegen. Er hat darin einen Wert von 15. Jetzt wird gerechnet: 15 / 4 = 3 mit Rest 3. Also wird mit 3W6+3 gewürfelt.
Mit den zur Verfügung stehen Würfel muss eine vom SL vorgegebene Erfolgsschwelle erreicht oder übersprungen werden, die bei einer mittleren Schwierigkeit bei einem Wert von 12 bis 14 liegt.
Alternativ zur Erfolgsschwelle gibt es Vergleichs- und Kombinationstests. Bei einem Vergleichstest werden die Ergebnisse zwei Probe miteinander verglichen, der höhere Wert gewinnt die Probe. Mit Kombinationstests lassen sich Proben gemeinsam oder nacheinander bewältigen. Hierbei wird eine (etwas höhere) Erfolgsschwelle durch mehrere Würfe abgebaut.
Die grundlegenden Regelmechanismen sind schnell verinnerlicht. Der Teufel jedoch steckt im Detail – und durch die Vielfältigkeit und Tiefe des Nova-Imperiums hat sich so mancher kleiner Teufel versteckt. Das Nova-Buch beschreibt in ausführlichen Kapiteln wie sich Charaktere durch Kybernetik und Mutationen verändern lassen oder welche Möglichkeiten Charakteren mit paranormalen Fähigkeiten offen stehen. Diese zusätzlichen Optionen machen das Spiel im Nova-Universum deutlich vielfältiger – aber auch komplexer.
Der Kampf
Kämpfen bestehen aus einer Mischung aus normalen Tests und Vergleichstest. Der Angreifer würfelt zunächst eine Angriffsprobe, deren Erfolgsschwelle sich nach der Größe und der Entfernung des Zielobjekts richtet. Dem Angegriffenen steht – Gegner der aktiven Parade werden jetzt zusammenzucken – eine Probe auf Ausweichen bzw. Parieren zu. Ist das Ergebnis gleich oder höher als die Attacke, ist der Charakter ausgewichen. Bei Misserfolg kommt es zu einem Treffer.
Die Höhe des Schadens richtet sich danach, um wie viele Punkte die Ausweichenprobe misslungen ist. Ist das Ausweichen um 1 Punkt misslungen, verursacht die Waffe Grundschaden. Liegt sie um 2 Punkte daneben, gibt es doppelten Grundschaden, bei 3 Punkten dreifachen Schaden, bei 4 oder mehr Punkten den vierfachen.
Insgesamt sind die Kampfregeln weder sonderlich umfangreich, noch sind sie kompliziert. Nur an einigen Stellen erscheint der Detailgrad unnötig hoch, zum Beispiel dann, wenn für die Schadenswirkung sieben unterschiedliche Schadenstypen unterschieden werden. Das hätte nicht sein müssen.
Das Fazit
Ich bin hin- und hergerissen. Die Arbeit, die in die Gestaltung des Nova-Universums gesteckt wurde, ist bewundernswert. Man merkt dem Buch auf jeder Seite an, wie viel Herzblut hineingeflossen ist. Das Universum ist durchdacht und stimmig. Die Regeln sind zwar nicht sonderlich innovativ und an einigen Stellen zu detailversessen, können aber im Großen und Ganzen zu überzeugen. Dennoch packt mich Nova nicht.
Ja, es ist alles vorhanden, was ein abenteuerliches Sci-Fi-Universum braucht: Raumschiffe, Aliens, Sternenreiche. Aber gerade weil alles da ist, alles geht, wirkt Nova beliebig. Es fehlt der überzeugende Grund, warum ich gerade im Nova-Universum spielen sollte. So habe ich bislang keinen Zugang zu dieser Spielwelt gefunden.
Wer aber diesen Zugang findet, sich auf Nova einlässt und tief in das Universum eintaucht, wird eine vielfältige und detaillierte Spielwelt vorfinden, die Raum für zahlreiche sehr unterschiedliche Abenteuer bietet. Doch diesen Zugang muss man sich erst erarbeiten. Wer dazu bereit ist, den belohnt das Nova-Buch mit unzähligen Ideen für die Gestaltung einer eigenen Sci-Fi-Kampagne.
NOVA Basisbuch 2. Edition
Verlag: Prometheus Games Verlag
Format: A4, Hardcover, S/W, Vorsatz und Nachsatz Farbkarten
Seitenzahl: 496 Seiten
Sprache: Deutsch
Preis: 49,95 Euro
Linktipp: Auf der Nova-Homepage gibt es Ausschnitte des Buchs als kostenloses PDF (mit fast 200 Seiten!)
2 Gedanken zu “Rezension: Nova”
Schöne Rezi. Wir spielen in meiner Gruppe auch keine Sci-Fi-Rollenspiele – warum auch immer. Vielleicht kennt keiner ein ordentliches.