Rezension: Porto Velvenya

Porto Velvenya Cover

Der Sturm auf den Süden ist eröffnet.
Die Grüne Hölle erwartet Sie – zögern Sie nicht länger!

– Vorwort aus dem Abenteuer Porto Velvenya

Zögern ist das richtige Wort. So mancher DSA-Spieler wird Porto Velvenya mit Zurückhaltung und Skepsis begegnen. Der Abenteuerband ist bereits der zweite Anlauf zur Entdeckung des Südkontinents Uthuria. Der erste Sturm auf den Süden entpuppte sich als laues Lüftchen. Von der versprochenen Entdeckung „fremder Kulturen, sagenumwobener Schätze und Wunder jenseits aller Vorstellung“ war in An fremden Gestaden wenig zu sehen. In Porto Velvenya soll das Entdeckerabenteuer nun endlich beginnen.

Dabei ist Porto Velvenya nur der erste Teil der Regionalkampagne Grüne Hölle. Die dreibändige Kampagne wird Spieler und Spielleiter schrittweise mit dem Norden des Kontinents vertraut machen. Glücklichweise ist der zweite Teil Der Fluch der Blutsteine bereits für Mai 2013 angekündigt. Das baldige Erscheinen ist auch notwendig, endet das erste Abenteuer doch sehr abrupt und lässt den Spielleiter mit vielen offenen Fragen zurück. Doch der Reihe nach… Ausgangspunkt für den Sturm auf den Süden ist im Abenteuerband Porto Velvenya die gleichnamige Stadt an der Küste Uthurias. Dort öffnet die Grüne Hölle ihre Pforten.

„Auf, auf ins Entdeckerabenteuer“

In der von Al’Anfanern gegründete Stadt Porto Velvenya haben mittlerweile rund 1000 Personen zwischen uralten echsischen Ruinen ihr neues Zuhause gefunden. Dorthin hat es auch die Helden zu Beginn der Abenteuerhandlung verschlagen. In den folgenden fünf Kapiteln müssen sie die Stadt vor einer großen Gefahr bewahren und dafür durch unerforschte Dschungelgebiete reisen, uralte Ruinen erkunden und sich mit den Stämmen und Völkern der Region auseinandersetzen.

Die fünf Kapiteln sind für sich genommen unterhaltsame und interessante Abenteuer mit einer großen thematischen Bandbreite: Detektivhandlung, Dungeoncrawl, Reiseabenteuer; mal ist Kampffertigkeit gefragt, mal Verhandlungsgeschick – für jeden Geschmack ist etwas dabei.

Das übergeordnete Thema aller Kapitel ist die Fremdartigkeit Uthurias – die sich aber oft nur in Details offenbart. Wer eine völlig andersartige Spielwelt erwartet oder auf DIE eine große Besonderheit hofft, die Uthuria von Aventurien unterscheidet, wird auch in Porto Velvenya enttäuscht. Mit kleineren Abstrichen wäre die Abenteuerhandlung auch im aventurischen Dschungel möglich. Das Gefühl, Entdecker einer völlig unbekannten Welt zu sein, kommt daher nur gelegentlich auf. Aber immerhin, es kommt auf.

„Komm, ich mach das für dich“

Porto Velvenya - Eine MeisterpersonDas allmählich einsetzende Entdeckergefühl kann aber nur teilweise über eine große Schwäche des Abenteuers hinwegtrösten: Die Entmündigung der Helden.

In vielen Kapiteln schränkt der Abenteuerband die Spieler in ihrer Entscheidungsfreiheit unnötig ein. So manche Handlungsalternativen werden ausgeschlossen und der Spielleiter wird angehalten, die Spieler mit (mehr oder minder) sanften Druck in eine ganz bestimmte Richtung zu lenken. Die Gründe für die vorgesehenen Handlungsweisen sind oft zweifelhaft und nur schwer nachvollziehbar. So mancher Spieler (und Held) dürfte daher nur wenig Motivation haben, den vorgegebenen Pfad zu folgen. Eine häufig gehörte Frage am Spieltisch wird wahrscheinlich sein: „Warum sollten wir das tun?“

Die Antwort des Spielleiters auf diese Frage lautet fast immer: „Weil es meine Meisterperson so will.“ Die entscheidenden Wendungen der Abenteuerhandlungen werden fast ausschließlich durch Meisterpersonen ausgelöst. Es sind fast immer Meisterpersonen, die den Helden den entscheidenden Wink geben, in welche Richtung sie gehen und was sie tun sollen. Selbst in den Fällen, in denen die Helden mit echten Heldentaten glänzen können, scheint ihre Tat kaum Auswirkungen auf die Handlung zu haben. Sehr bedauerlich, denn darunter leiden die eigentlich guten Abenteuerideen merklich.

„Aha, das ist also Uthuria“

Von insgesamt 128 Seiten, die der Abenteuerband hat, sind 38 Seiten Hintergrundmaterial zu dem bespielten Gebiet. Das klingt nach einer recht ausführlichen Regionalbeschreibung, ist aber weniger als man denkt. Das Kapitel über die Flora und Fauna der Grünen Hölle hat neun Seiten. Davon sind sieben Seiten Beschreibungen von Monstern, Untieren und fiesen Pflanzen. Insgesamt werden aber nur sechs Kreaturen beschrieben. Sonderlich vielfältig sind die Informationen über die Flora und Fauna daher nicht. Die jeweiligen Beschreibungen der neuen Kreaturen sind zudem Geschmackssache, zeigen aber, in welche Richtung es in Uthuria geht: In eine etwas abgedrehte bzw. fantastische Richtung.

Mit den Texten über Flora und Fauna bekommt die Grüne Hölle durchaus mehr Farbe. Um aber beispielsweise das Kapitel über die Reise durch den Dschungel ausführlich auszuspielen, sind die die Angaben etwas spärlich. Die weißen Flecken in der Grünen Hölle wird der Spielleiter mir eigenen Ideen füllen müssen – was aber laut Abenteuer durchaus gewünscht und möglich ist.Porto Velvenya - Völker und Stämme

Auch das Quellenmaterial zu den Wilden Stämmen der Region ist etwas kurz geraten. Vorgestellt wird nur ein Stamm, dafür gibt es aber sehr umfangreiche Informationen über Waffen und Artefakten der Ureinwohner. Was in diesem Kapitel völlig fehlt: Informationen über das Volk der Xo’Artal, das in dem Abenteuer eine wichtige Rolle spielt. Es scheint fast, als wurden diese Informationen vergessen oder nachträglich rausgenommen. Im Vorwort des Bandes wird die Vorstellung der Xo’Artal nämlich angekündigt. Oder sind damit etwa die wenigen über das Abenteuer verstreuten Infohäppchen gemeint?

Mit knapp 20 Seiten am umfangreichsten ist die Beschreibung der Stadt Porto Velvenya. Neben einer kurzen Geschichte, wird das allgemeine Stadtbild und die einzelnen Viertel der Stadt vorgestellt. Besonders schön sind die Vignetten, die jeweils typische Eindrücke aus der Stadt vermitteln sollen. Im Vergleich zum restlichen Quellenmaterial ist die Beschreibung der Stadt nicht nur am umfangreichsten, sondern auch am hilfreichsten für das Spiel. Die Kapitel über die Flora und Fauna und über die Völker und Stämme sind zwar interessant, beschränken sich jedoch auf zu wenige Aspekte.

„Hübsch siehst Du aus“

Das Abenteuer Porto Velvenya hat einen recht dicken Roten Faden, der die Helden durch das Abenteuer lotst. Der meist lineare Aufbau ist sicherlich nicht jedermanns Sache, hat aber einen großen Vorteil: Das Abenteuer ist für den Spielleiter sehr übersichtlich gestaltet.

Auf die Übersichtlichkeit haben die Autoren augenscheinlich großen Wert gelegt. Zu Beginn jedes Kapitels steht eine kurze Zusammenfassung der folgenden Geschehnisse. Auch die Texte sind gut strukturiert und die wichtigen Informationen stehen meist dort, wo man sie erwartet. Leider keine Selbstverständlichkeit.

Porto Velvenya gehört erfreulicherweise zu den Abenteuern, die ohne ausufernde Vorbereitungszeit durch den Spielleiter einsetzbar sind. Das ist eine angenehme Abwechslung gegenüber vielen anderen jüngeren Abenteuern. Ein Feilen an den bereits genannten Schwächen der Abenteuerhandlung wäre sicherlich hilfreich, hängt aber auch vom Spielstil der Gruppe ab. Ansonsten benötigt einzig die Reise durch den Dschungel definitiv mehr Ausarbeitung, damit überhaupt das Gefühl der Grünen Hölle entsteht.

Und das Fazit…

Stadtplan Porto VelvenyaPorto Velvenya ist eine deutliche Steigerung gegenüber An fremden Gestaden. Endlich können die Helden mit der Entdeckung Uthurias beginnen. Das Hintergrundmaterial füllt die neue Spielwelt zunehmend mit Leben, bleibt aber leider an wichtigen Stellen lückenhaft.

Versprochen hat Ulisses für die Kampagne Grüne Hölle vor allem eins: Abenteuer. Dieses Versprechen wird eingehalten. Die fünf Kapitel von Porto Velvenya bieten jeweils Stoff genug für spannende Spielabende. Schade nur, dass die Helden so oft in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt werden.

In nicht allen Kapiteln ist die Gängelung der Helden jedoch im gleichen Maß ausgeprägt. An manchen Stellen gibt es sogar ausdrücklich mehrere Handlungsalternativen. Wer daher die gelegentlichen Zweifel an der richtigen Motivation der Helden ausblendet und akzeptiert, dass einzelne Szenen nur einen bestimmten Verlauf haben dürfen, wird ein paar schöne Abende in Uthuria verbringen.

Arkanil-Wertung:

Wertung: Porto Velvenya 4 von 6 Punkten

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