Die 3W20-Talentprobe – Fluch oder Segen?

SW-WuerfelDas DSA-Regelwerk hat auch gute Seiten. Die 3W20-Talentprobe zum Beispiel. Die Idee hinter diesem Regelmechanismus fand ich immer überzeugend. Ich mag es, wenn nicht nur der Talentwert über das Gelingen einer Probe entscheidet, sondern auch der Wert von Eigenschaften eine Rolle spielt. Das DSA-Konzept, auf drei Eigenschaften zu würfeln, verhindert zudem unausgewogene Abhängigkeiten zwischen Eigenschaften und Talenten.

Allerdings ist die 3W20-Probe nicht unumstritten, sondern häufig Gegenstand von Diskussionen. Die aktuellen DSA-Umfrage von Ulisses greift diese Diskussionen auf und fragt die Teilnehmer ausdrücklich danach, ob sie Proben lieber mit 3W20 oder 1W20 würfeln. Doch was ist der Grund für diese Diskussionen? Warum wird die 3W20-Probe in der DSA-Umfrage zur Disposition gestellt?

Neben den diversen Vorzügen hat die 3W20-Probe offenbar einen großen Nachteil: Die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Probe lässt sich nur schwer abschätzen. Für mich als Spielleiter ist das ein Problem. Ich möchte die Erfolgswahrscheinlichkeit zumindest grob abschätzen können. Ich brauche diese Information, um mir einen Überblick über die Fähigkeiten der Helden zu verschaffen. Sind die Helden geübte Kletterer? Oder ist die kleine Backstein-Mauer bereits ein unüberwindliches Abenteuer-Hindernis? Und ich brauche diese Information, um die Erschwernis von Proben festlegen zu können. Was bedeutet eine Klettern-Probe +9? Den sicheren Sturz in den Tod?

Wie gut ist ein Held?

Mit den Erfolgswahrscheinlichkeiten von 3W20-Proben habe ich mich bislang nur am Rande auseinandergesetzt. Bislang bin ich davon ausgegangen, dass einfache Proben auch für mäßig erfahrene Helden kein Problem sein sollten. Das DSA-Regelwerk hat mich in dieser Einschätzung bestärkt. In Wege des Schwerts gibt es folgende Richtlinie für Proben-Erschwernisse:

  • Alltägliche Routine: +0
  • Fummelarbeit +3
  • Anspruchsvoll +7
  • Ist wirklich schwierig +12
  • Wird ohne die nötigen Hilfsmittel versucht +18
  • Selbst mit Hilfsmitteln fast unmöglich +25

Diese Angaben suggerieren, dass eine Probe +0 reine Routine ist. Auch mäßig erfahrene Helden sollten damit keine Probleme haben. Das stimmt aber nicht. Mittlerweile weiß ich, was DSA4-Forum-Moderator Robak mit „Eine Probe +0 ist nicht einfach!“ meint. Für mäßig erfahrene Helden ist eine Probe +0 immer noch eine nicht zu unterschätzende Herausforderung.

Beispiel:
Ein Held muss eine Klettern-Probe ablegen. Er hat die Eigenschaftswerte 13/12/15 und Talentwert 5. Die Werte sind nicht überragend, aber durchaus ordentlich. Eine alltägliche Routineprobe +0 sollte keine Probleme bereiten. Doch die Erfolgswahrscheinlichkeit liegt nur bei rund 67 Prozent. Statistisch scheitert jede dritte Probe. Routine sieht anders aus.

Eine Probe ohne Erschwernis bedeutet also nicht automatisch eine einfache Probe. An diesem Punkte täuscht die Erwartung, und meine bisherige Einschätzung der Heldenfähigkeiten war offensichtlich falsch. Selbst für alltägliche Routineproben muss ein Held über deutlich bessere Werte verfügen.

Welche Auswirkungen haben Erschwernisse?

Erschwernisse für Proben lege ich gerne mit einer groben Schätzmethode fest. Eine bessere Methode kenne ich nicht. „Die Felswand ist recht steil, bietet aber gute Griffmöglichkeiten. Das macht eine Erschwernis von… hm… 7.“ Es hätte aber auch 8 sein könne. Oder 5. Bei der Festlegung von Erschwernissen kommt es auf einzelne Punkte nicht an. Habe ich immer gedacht. Stimmt aber nicht. Einzelne Punkte können große Auswirkungen auf die Erfolgswahrscheinlichkeit haben.

Beispiel:
Ein Held muss zwei Probe auf die Eigenschaftswerte 15/15/15 ablegen. Die erste Probe ist nicht erschwert, die zweite Probe ist um 3 Punkte erschwert.

  • Erfolgswahrscheinlichkeit bei einem Talentwert von 2:
    Probe +0: 60%
    Probe +3: 35%
  • Erfolgswahrscheinlichkeit bei einem Talentwert von 5:
    Probe +0: 90%
    Probe +3: 60%
  • Erfolgswahrscheinlichkeit bei einem Talentwert von 8:
    Probe +0: 97%
    Probe +3: 90%

Das Beispiel zeigt zwei Dinge:
1. Am deutlichsten sinkt die Wahrscheinlichkeit bei einem Talentwert von 5. In diesem Fall mindert die Erschwernis um drei Punkte die Erfolgswahrscheinlichkeit um satte 30 Prozentpunkte. Erwartet hätte ich jedoch, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit am stärksten sinkt, wenn der Talentwert durch die Erschwernis negativ wird. Aber da habe ich mich erneut getäuscht.

2. Wenige Punkte können große Auswirkungen auf die Wahrscheinlichkeit habe – müssen es aber nicht. Bei einem Talentwert von 8 hat die Erschwernis um drei Punkte kaum Folgen. Die Auswirkungen einer Erschwernis hängt also stark von den Werten des Heldens ab und lässt sich genau deshalb nur schwer abschätzen. Folgendes Diagramm veranschaulicht das:

Probenwahrscheinlichkeit

Die fünf Kurven repräsentieren fünf Helden mit unterschiedlichen Eigenschaftswerten (Werte siehe rechts). Alle haben einen Talentwert von 12. Auf der unteren Leiste ist die Probenerschwernis angegeben; auf der linken Leiste steht die Erfolgswahrscheinlichkeit in Prozent.

Beispiel:
Müsste der Held mit den Eigenschaftswerten 15/15/15 (grüne Linie) eine Talentprobe +7 würfeln, läge die Erfolgswahrscheinlichkeit bei etwa 90 Prozent. Für den Helden mit den Werter 17/15/13 (lila Linie) läge die Erfolgswahrscheinlichkeit bei einer Probe +7 hingegen bei etwa 85 Prozent.

Das Diagramm zeigt vor allem eins: Die Linien verlaufen nicht linear. Dadurch haben die Erschwernisse sehr unterschiedliche Wirkungen. Eine grobe Schätzung, wie sich eine Erschwernis auf die Probenwahrscheinlichkeit auswirkt, ist daher am Spieltisch nur eingeschränkt möglich.

Als Hilfskonstrukt zur Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit ist mir nur folgende Methode eingefallen: Zunächst wird der Durchschnittswert der drei Eigenschaften errechnet (bei einer Probe auf 15/15/15 wäre das einfach: 15). Fällt der Talentwert durch die Erschwernis unter 20 minus dem Durchschnittswert (hier: 5), sinkt die Erfolgswahrscheinlichkeit deutlich. Im obigen Beispiel träte dieser Fall ab einer Erschwernis von 7 ab. Das ist die Stelle, an der die grüne Kurve einen Knick macht. Diesen deutlichen Zusammenhang gibt es aber nur, wenn alle drei Eigenschaftswerte identisch ist. Bei drei unterschiedlichen Werten ist der Zusammenhang weniger stark ausgeprägt. Deswegen hat die lila Kurve auch drei kleinere Knicke.

Umterm Strich bleibt: Wie so ziemlich alles im DSA-Regelwerk, ist auch die 3W20-Talentprobe nicht ganz so einfach…

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