Im ersten Teil meines Berichts über das neue Uthuria-Abenteuer „An fremden Gestaden“ habe ich vor allem die Abenteuerhandlung betrachtet. Mein Urteil ist dabei zwiegespalten ausgefallen. In diesem Text nun folgt der zweite Teil meiner Rezension, in dem ich einen Blick auf den Aufbau des Abenteuers werfe. Das erschien mir nötig, weil mir gerade in diesem Bereich viele Dinge negativ aufgefallen sind.
AUFBAU
Ulisses braucht endlich ein Lektorat. Ich äußere diese Forderung hier zum ersten Mal. Tippfehler, selbst wenn sie gehäuft vorkamen, haben mich bislang nicht gestört. Aber es geht beim Lektorat nicht nur um Rechtschreibung und Grammatik. Es geht auch um den Inhalt. Und Ulisses braucht endlich ein Lektorat.
Natürlich tauchen in „An fremden Gestaden“ wieder mal Tippfehler auf. Es gibt zudem peinliche Copy-And-Paste-Fehler. Es gibt auch inhaltliche Widersprüche. An einer Stelle wird der Loyalitäts-Startwert der Schiffs-Mannschaft mit 7 angegeben, ein paar Sätze weiter steht 12. Was denn nun?
Das sind Fehler, die sich vermeiden lassen, wenn man das Abenteuer vor dem Druck vernünftig durcharbeitet. Wenn Ulisses professionell arbeiten will, dann müssen solche Amateurfehler abgestellt werden.
Schwerwiegender als solche vermeidbaren Flüchtigkeitsfehler finde ich aber die Fehler im inhaltlichen Aufbau.
Porto Velvenya??
Immer wieder wird in dem Abenteuer der Ort „Porto Velvenya“ erwähnt. Er befindet sich in Uthuria und hat irgendeine zentrale Bedeutung. Aber ich weiß nicht, was es mit diesem Ort auf sich hat. Zuerst habe ich gedacht, es handelt sich dabei um das Lager, das die Heldengruppe errichtet. Aber das stimmt wohl nicht. Mittlerweile habe ich mir eine andere Bedeutung zusammengereimt. Aber wieso wird das in dem Abenteuer nicht vernünftig erklärt? Oder habe ich es überlesen? Und wenn ja, wie kann das sein? Ich habe wirklich intensiv nach einer Beschreibung und Erklärung dieses Ortes gesucht. Ich finde sie nicht. Ich habe sie erst nach einem hilfreichen Hinweis hier in den Kommentaren gefunden.
Das ist nur ein Beispiel für die Mängel im inhaltlichen Aufbau. Es gibt zahlreiche weitere. Es gibt ein Kapitel mit der Überschrift „Von der Anwerbung der Helden“. Im nächsten Kapitel mit der Überschrift „Die unbekannte Mission“ gibt es dann wiederum ein Unterkapitel mit der Überschrift „Die Anwerbung der Helden“. Wieso werden diese Kapitel nicht zusammengefasst? Die Gliederung der DSA-Abenteuer ist nicht durchdacht und erschwert das Lesen, das Verständnis und letztlich auch den Spielablauf.
Wichtig oder nicht?
Auf einen weiteren schwerwiegend inhaltlichen Mangel bin ich bereits im ersten Teil eingegangen: Die Errichtung des Lagers durch die Helden. Im Abenteuer steht wortwörtlich: „Die wichtigsten Aufgaben, die sie zu erfüllen haben sind: Die Errichtung des Lagers (…)“
Wenn das eine der wichtigsten Aufgaben ist, warum wird das in dem Abenteuer nicht thematisiert?
Das sind gravierende Mängel, die ich aber nicht mal den Autoren anlaste. Ihnen können diese Missstände wahrscheinlich gar nicht auffallen. Was fehlt, ist ein ein professioneller Blick von außen. Es fehlt das Lektorat.
ZUM ABSCHLUSS
„An fremden Gestaden“ beinhaltet viele richtig gute Passagen. Doch der eigentliche Höhepunkt – erstmals einen Fuß auf den Kontinent setzen und diesen fremden Ort langsam entdecken – ist eine einzige Enttäuschung. Das Potenzial für ein spannendes Entdeckungsabenteuer ist zwar vorhanden. Doch Ulisses lässt den Spielleiter mit der Ausgestaltung fast völlig allein.
Das Abenteuer kostet 25 Euro. Das ist viel Geld. Es handelt sich dabei nicht um ein Fanprojekt, bei dem ich gern über diverse Mängel hinwegsehe. Hinter „An fremden Gestaden“ steht ein Verlag mit mehreren festangestellten und zahlreichen freiberuflichen Mitarbeitern, der zudem für sich in Anspruch nimmt, professionelle Arbeit zu leisten. Vor diesem Hintergrund ist das dargebotene Produkt für mich nicht akzeptabel.
Es kann sich jeder selbst überlegen, ob er bereit ist 25 Euro für „An fremden Gestaden“ auszugeben. Das Abenteuer hat viel Licht, aber auch viel Schatten. Es entstammt eindeutig einer Produktstrategie die darauf setzt, jedes Jahr möglichst viele neue DSA-Produkte rauszuhauen. Die Masse macht’s – die Qualität steht hinten an.
21 Gedanken zu “Uthuria-Abenteuer “An fremden Gestaden” – Rezension Teil II”
Danke für diese Rezension. Ich denke, ich werde mir das Abenteuer dann sparen.
Danke für diese Rezension. Ich habe das Abenteuer schon bestellt, und werde es wahrscheinlich niemals spielen. Vielleicht irgendwann.
Aber Du hast recht Ulisses braucht DRINGEND ein Lektorat!
Die Tippfehler und falsche Seiten/Quellenverweise ziehen sich durch alle Publikationen, erst gestern beim spielen in Brabak auf der Karte ein Haus gesucht, es gibt 2x Haus 24 aber kein Haus 26. Und was ich auch blöd finde ist das in „Wege des Entdeckers“ auf Seite 64 und 67 das gleiche (noch dazu schlechte) Bild verwendet wurde. Auf zwei aufeinanderfolgenden Seiten! Lektorat!
Wir haben es bei dem Bild auch erst nach mehrmaligem durchlesen gemerkt, aber es ist nicht das gleiche Bild. Das zweite zeigt die Ausrüstung nach dem Abenteuer, mit Abnutzungserscheinungen.
Das die Bilder in WdE deutlich zu dunkel sind und damit viele Details leider verloren gehen hilft auch nicht unbedingt bei der Unterscheidung zwischen den beiden Bildern. Da weiss ich nicht, ob die Korrekturfassung heller gedruckt war, oder ob das so beabsichtigt ist, auf jeden Fall sind einige Bilder größtenteils nur dunkel, mit zu erahnenden Details.
Interessantes und gut strukturiertes Review 🙂 Man könnte natürlich Vermutungen anstellen, warum es an der Qualität hapert. Das Ende der Kooperation mit Prometheus käme mir da in den Sinn 😉 Wobei ich mir nicht sicher bin, ob der erste Band nicht so oder so nur von Ulisses geschrieben werden sollte.
Ne, das Abenteuer sollte immer schon bei Ulisses erscheinen. Aber wenn dieses Abenteuer schon wie mit der heißen Nadel gestrickt wirkt, wie wird das dann wohl bei den Abenteuern aussehen, die eigentlich bei Prometheus erscheinen sollten?
Am enttäuschtesten ist für mich, dass die Errichtung des Lagers nicht richtig behandelt wird. Die gesamten Vorbereitungen (ob nun mit Mikromanagement oder nicht) der Reise sollten doch darauf zielen. Ein langsamer Aufbau der ersten Siedlung und das Erkunden der Umgebung hätten für mich den Reiz ausgemacht. Für mich wäre es als Spieler sehr frustrierend, wenn ich die Expedition ganz genau geplant hätte (was für Baumaterialien brauchen wir, welche Werkzeuge? etc.)… und am Ende hat es ein paar „gescriptete“ Sätze zur Folge…
Dann sollen die Helden von Anfang an nichts planen und als Beschützer/Bewacher eingestellt werden, wenn das später eh deren Aufgabe ist…
Stimmt, das wäre dann nur konsequent.
Danke für die gelungene Rezi: Strukturiert, aussagekräftig und dennoch spoilerfrei. Gerade letzteres war mir wichtig, denn es ist noch nicht raus, ob ich es leiten oder spielen werde (wenn überhaupt).
Du schreibst, bei der Anlandung in Uthuria spielt die ganze in Teil 1 zusammengetragene Ausrüstung keine Rolle mehr. Wird das denn unterwegs (Tel 2) bei der Durchquerung des Südmeers abgefragt:
Nicht genug Reparaturmaterial – Problem nach Sturm?
Nicht genug Proviant – Notwendigkeit, unterwegs anzulanden?
Keine Glasperlen – schlechter Stand bei den Eingeborenen auf Insel 2A?
Oder ist da überhaupt nichts?
In Teil 2 ist das etwas besser gelöst. Die Aufnahme von frischer Nahrung und frischem Wasser ist einer der Hauptgründe für die Anlandung an den Inseln. Auch in anderen Bereichen spielen die Entscheidungen aus Kapitel 1 eine Rolle.
Beispiel: Die Expedition könnte in einen Sturm geraten. Um das Unwetter unbeschadet zu überstehen, muss eine Probe auf Seefahrt abgelegt werden. Diese Probe wird durch die Qualität des Kapitäns und der Mannschaft modifiziert. Es ist also schon von Bedeutung welche Personen die Helden in Kapitel 1 angeheuert haben.
Dieses Konzept (also das Mikromanagement) wird aber nicht konsequent umgesetzt. Was man ja durchaus hätte tun können.
Dafür hätte es aber eine detaillierten Karte (mit Hexfeldern?) des Südmeeres gebraucht. Darauf hätte der Spielleiter festhalten können, wo sich die Expedition befindet und wie weit sie an dem jeweiligen Tag gereist ist. Die Geschwindigkeit hinge dann von den Schiffen und dem Wind ab. Manche Schiffe sind schneller und besser für bestimmte Winde geeignet als andere. Da hätte die Entscheidung der Helden für einen Schiffstyp dann Folgen gehabt.
Bei schlechten Winden wäre die Expedition nur langsam vorangekommen. Die frische Nahrung wird allmählich aufgebraucht. Es bleibt nur noch Zwieback. Die Moral/Loyalität der Mannschaft sinkt langsam. Wenn dann auch noch ein paar unschöne Zufallsbegegnungen dazu kommen, wird das Murren immer lauter. Hoffentlich findet sich schnell eine Insel um die Vorräte aufzufrischen…
All das gibt es in dem Abenteuer so nicht. Zumindest nicht im Rahmen eines Mikromanagements-Konzeptes. Es gibt keine detaillierte Karte, nur eine grobe Ingame-Karte. Die exakten Lage der Inseln bestimmt der Spielleiter. Die Nahrung reicht laut Abenteuer für W20+25 Tage. Da frage ich mich schon, was diese Angabe soll? So etwas lässt sich doch planen. An Bord sind x Personen, für die kaufe ich y Portionen Nahrung. Die frische Nahrung reicht dann grob für a Tage, Zwieback und Pökelfleisch für b Tage. Bei Notrationen entsprechend länger. Aber ein Zufallswert von 26 bis 45 widerspricht dem Mikromangement-Ansatz aus dem 1. Kapitel.
Ob die Expedition also in eine Flaute gelangt, die Nahrung knapp wird und die Mannschaft murrt, hängt maßgeblich von der Laune des Spielleiters ab. Wenn so etwas eintritt, sind es eher gescriptete Ereignisse und keine Ergebnisse des Mikromangements-Konzepts.
Porto Velvenya ist durchaus beschrieben. Auf S. 114 gibt es einen Kasten und etwas Text dazu. Das ist die alanfanische Kolonie. Da die Helden ja in Stoerrebrandts Auftrag unterwegs sind, sollten sie sich eine eigene Ecke suchen. Sie haben also eigentlich nicht direkt etwas mit Porto Velvenya zu tun.
Danke für den Hinweis. Dann habe ich es wirklich überlesen. Es erschließt sich mir aber nicht, warum diese nicht ganz unwichtige Info im Epilog versteckt wird unter dem Punkt „Was weiterhin geschieht“. Aber dennoch: Nochmals danke für den Hinweis. 🙂
Den in der Rezi beschriebenen Eindruck kann ich nur voll und ganz bestätigen. Das AB hat einen extrem guten Aufhänger – Erkundung eines anderen Kontinents -, der in dem AB aber völlig vernachlässigt wird. Wichtigste Punkte sind lediglich ein Randthema, Unwichtiges erhält einen breiten Raum eingeräumt (z.B. die Anschaffung der kompletten Ausrüstung, für die in keiner mir bekannten Runde Zeit ist). Im Grunde hätte man den Inhalt als offiziellen Hintergrund in den Rahmen des Aventurischen Boten packen können, um dem SL zu sagen: Beschreib den Kontinent und die Erkundung selbst, wir liefern Dir noch einen mächtigen Gegner für die Helden dazu.
Nach meiner persönlichen Auffassung wurde auch dieses TNBT komplett vergeigt, tut mir leid, das sagen zu müssen…
Für die Erkundung hätten sich die Macher – und hier bezieht sich meine Kritik durchaus auf die Autoren – z.B. sehr gut an Cooks Reisen in die Südsee oder Georg Forsters „Reise um die Welt“ orientieren können. Statt dessen verkommt die Entdeckung zu einem völligen Nebenaspekt. Das mag der Beendigung der Koop mit Prometheus geschuldet sein, entschuldigt aber nicht, dass der Inhalt für mich persönlich nicht das ist, was das AB versprochen hat. Also muss ich als SL wieder gut zwei Drittel der Arbeit selbst machen, die Ulisses hätte machen müssen.
Fazit: Das AB ist sein Geld nicht wert.
Für den Abenteuerinhalt sind die Autoren verantwortlich, das sehe ich auch so. Und da gibt es einiges zu kritisieren.
Für den sinnvoll Aufbau eines Abenteuers (wo stehen welche Texte?), sollten aber stets auch Außenstehende hinzugezogen werden. Stichwort: Lektorat.
Danke für diese Rezension. Sie fasst auch ziemlich gut den Eindruck in Worte, den ich beim ersten groben Durchlesen des Abenteuers hatte.
Und Ulisses braucht endlich ein Lektorat! Mein persönliches Highlight auf S.133 bei der Beschreibung einer sehr wichtigen Meisterperson: „Ein ausgemerkelter alter Mann.“ Erstreckt sich der Einfluss der Bundeskanzlerin bis nach Aventurien?
Vielen Dank für die Rezension! Jetzt kann ich also wieder 25 Euro sparen. Die Vorgehensweise von Ulisses, statt Qualität nur noch durchschnittliche Produkte voller Fehler auf den Markt zu werfen, hat damit für meinen Geldbeutel deutliche Vorteile … 😉
Danke für die Rezension und die wirklich interessanten Artikel dazu.
Ich hatte das Abenteuer auch schon in Händen.
Habe mich dann letztendlich, aufgrund des Berichts, dazu entschlossen, es nicht zu kaufen.
Die Rufe nach Verbesserungen, nicht nur dem LEKTORAT, werden weiterhin nutzlos verhallen, egal welche Lippenbekenntnisse der Verlag macht, solange der Gros der DSA-Spieler-, Käufer-, Sammler weiterhin alles was da ausgestoßen wird so kritiklos hinnimmt.