Wer Online-Rollenspiele kennt, kennt lfg. In der abkürzungsreichen Welt der MMORPGs steht lfg für looking for group, der Suche nach Mitspielern. Eine Abkürzung, die schon bald aus der Online-Welt verschwunden sein könnte.
12 Millionen Spieler hatte der Branchenprimus „World of Warcraft“ einmal. Schwer zu sagen, wie viele dieser Abonnenten einst Pen&Paper-Rollenspieler waren oder durch WoW & Co. erst gar nicht zu den klassischen Rollenspielen gefunden haben. Wahrscheinlich lehne ich mich aber nicht zu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass die Konkurrenz der Online-Games am Pen&Paper-Markt durchaus zu spüren war.
Abwanderung der Online-Rollenspieler
Seit einiger Zeit schwinden jedoch die Nutzerzahlen. Neue Spiele starten hoffnungsvoll und enden kläglich. „Star Wars: The Old Republic“, der jüngste WoW-Konkurrent, verzeichnet bislang rund 1,7 Millionen Abonnenten. Das ist ordentlich, aber noch weit von den Zahlen entfernt, die WoW zu seiner Glanzzeit hatte. Manche Anbieter versuchen die Abwanderung der Spieler durch neue Geschäftsmodelle zu verhindern.
Für den Schwund gibt es mehrere Gründe. Irgendwann verliert jedes Computerspiel seinen Reiz, die Konkurrenz schläft nicht, irgendwo lockt immer das nächste Abenteuer. Alles also ganz normal? Nicht unbedingt. Hier und dort ist mittlerweile eine grundsätzliche Kritik an den Spielmechanismen der MMORPGs zu hören. Der Vorwurf: Online-Rollenspielen mangelt es an Rollenspiel.
Vor einigen Tagen erschien auf Spiegel Online ein Beitrag unter dem Titel „Warum „World of Warcraft“ nur noch nervt„. Arkanil-Leser Michael hat sich ein paar Gedanken zu dem Artikel gemacht:
Aus dem SPON-Artikel ergibt sich ein relativ klarer Schluss: Bei WoW kommt es nicht (mehr) auf Kooperation und Rollenspiel an, sondern vielmehr geht es um schnelles Leveln und das Sammeln von Gegenständen. Es ist also ein „normales“ Computerspiel geworden, das nicht mehr die Dynamiken eines Rollenspiels (mit menschlichen Mitspielern) ermöglicht.
Theoretisch sind bei WoW natürlich alle Voraussetzungen dafür geschaffen, um eine wirklich gute Rollenspielerfahrung zu ermöglichen (immer viele Mitspieler vorhanden, die Technik nimmt einem viel Organisationsarbeit ab, die man sonst hat), aber mit der wirklich guten Rollenspielerfahrung ist es bei WoW wohl vorbei und so wirklich andere gute, große Onlinerollenspiele, die viele Spieler erreichen, sind mir so nicht bekannt.
Back to the roots?
Was bedeutet diese Entwicklung für die Pen&Paper-Rollenspiele? Werden Online-Rollenspiele zum Tummelplatz der Casual Gamer, während die Rollenspieler enttäuscht ihren Computer ausschalten und sich auf die Suche nach Alternativen begeben? Entsteht dort gerade eine Marktlücke? Kommt jetzt das große Revival der Pen&Paper-Rollenspiele?
Michael ist skeptisch. Zwar dürfte die P&P-Rollenspiele seiner Meinung nach für die enttäuschten Online-Gamer interessant sein. Allerdings beklagt er die mangelnden Bemühungen von Ulisses „P&P bei Jugendlichen bekannt zu machen und die Attraktivität zu steigern.“ Daraus, dass allerlei Computerspiele und nun auch ein Online-Rollenspiel vermarktet werde, schließt er, „dass DSA als P&P-System für Ulisses offenbar nicht mehr besonders interessant ist.“
Über Online zu Pen&Paper?
Ganz so kritisch beurteile ich das Verhalten von Ulisses nicht. Hinter der Vermarktung (bzw. zu Lizensierung) anderer Produkte muss nicht automatisch ein mangelndes Interesse an den klassischen P&P-Produkten stehen. Wahrscheinlich sieht der Verlag in dem Online-Rollenspiel sogar eine Möglichkeit, Online-Gamer auf das P&P-Rollenspiel aufmerksam zu machen.
Doch selbst wenn Aufmerksamkeit geweckt wird: Wie viele Spieler werden diesen Weg tatsächlich beschreiten? Wie viele Spieler werden statt lfg demnächst „Suche Rollenspielgruppe im Raum xyz“ schreiben? Ist das DSA-Pen&Paper-Rollenspiel für Online-Gamer überhaupt attraktiv? Da bin ich allerdings skeptisch. Womit wir mal wieder bei bei der Einsteigerfreundlichkeit von DSA wären…
7 Gedanken zu “lfg?”
Ich kann mich noch daran erinnern, wie viele meiner P&P-Freunde damals klagten, dass ihre Runden aufgrund von WoW auseinander gegangen sind. Von diesem Trend blieb meine Runde Gott sei Dank verschont, aber man konnte eine „Verschiebung der Macht“ schon bemerken.
Ich bin mir nicht sicher, ob die enttäuschten WoWler (oder andere) nun den Weg zu Pen&Paper finden, denn meiner Erfahrung nach gibt es doch viele, die zwar WoW gut finden, mit P&P aber nichts anfangen können. Also nicht jeder Online-Rollenspieler ist auch offline ein Rollenspieler, aber da erzähl ich ja nix neues.
Ich würde auch nicht Ulisses den schwarzen Peter zuschieben wollen, dass sie sich nicht genug um den Nachwuchs kümmern. Wenn dann könnte man das wohl von einigen anderen Verlagen auch behaupten. Viele Jugendliche kommen ja über Freunde zu P&P und wenn man vorher noch nie etwas von Pen&Paper gehört hat wage ich zu bezweifeln, ob für einen das Programm, was Ulisses und andere Verlage haben überhaupt interessant ist.
Ich spiele seit über 20 Jahren in der gleichen Gruppenbesetzung DSA. Keiner von uns ist überhaupt mal auf die Idee gekommen, sich an einem MMORPG zu versuchen.
Ich ging bislang nicht davon aus, dass es zwischen P&P-Spielern und MMORPG-Spieler überhaupt irgendeine Art von Wechselwirkung gibt, zu unterschiedlich scheinen mir doch die Menschen zu sein, die die jeweiligen Spiele spielen.
Dem Spiegel fällt jetzt erst auf das WoW sich nicht zum intensiven Rollenspiel eignet – sondern nur noch ein „Spiel“ ist? Wow sag ich da nur!
Soll es allerdings trösten wenn ich „behaupte“ das ROLLENspiel (wie es so schön geschrieben wird) selbst in „richtigen“ P&P Runden nicht sooo oft vorkommt? Ich denke nicht…
Ebenfalls denke ich nicht – das MMORPGs tatsächlich – eine ernsthafte Konkurrenz zu P&P-Runden darstellen. Ich sehe es als „zusätzliches“ Angebot, aber nicht als Konkurrenz-Produkt. Ich *denke* nämlich auch, dass „Abwanderer“ zu den Online-RPGs sowieso nie eine „richtige“ P&P Gruppe gesucht haben – sondern einfach nur irre viel Spaß am reinen „Leveln“ haben (so erklärt sich für mich der Riesen-Erfolg von Diablo & WoW).
Im besten Fall zieht es RPG-Einsteiger an, aber auch hier ist zu hoffen das solche Menschen an einen geistig-gesunden P&P Spieler treffen, und nicht auf solche Psychos die meistens in den bekannten RPG-Foren rumgammeln…
ROLLENspiel gibt es seit dem Ende der 90er eigentlich nur noch recht selten. Heutzutage gibt es Simulationisten, Explorationisten, Gamisten, Powergamer, Sandboxer, Storyteller, Storygamer, OSR/ARS-ler, Indie-Spieler, Buttkickers, Method-Actors Adventure NOW!…und nur die wenigsten glauben tatsächlich noch, dass es sowas wie „das gute Rollenspiel TM“ überhaupt gibt. Die wenigsten werden auch bzweifeln, dass Menschen durchaus sowohl an WoW als auch an einer P&P-Runde, die Storytelling-lastig spielt, Spaß haben können.
Gut, ich bin einer von den Psychos, die in bekannten RPG-Foren rumgammeln, vielleicht ist meine Weltsicht durch den Schaum vor meinem Mund getrübt.
Einer der Knackpunkte in der Konkurrenzsituation zwischen MMO und Tischrollenspiel ist der Zeitfaktor. MMOs fressen viel Zeit und Raids laufen meist Abends und am Wochenende, genauso wie Rollenspielrunden. Da geht dann schonmal der eine oder andere Spieltermin flöten, wenn man zwei Hobbies hat, die den gleichen „Slot“ belegen.
Aber ja, es gibt MMOler, die auch P&P spielen und umgekehrt. Es gibt sicher auch welche, die Briefmarken sammeln oder Skat kloppen.
Eigentlich sind MMOs und Pen&Paper-Rollenspiel schon zwei völlig unterschiedliche Nischen, da der aktuelle MMO-Markt eben fast ausschließlich kämpferische Auseinandersetzungen betont und die Charakterentwicklung deswegen auch nur auf Effizienz hinausläuft. Beim P&P steht da eher die Schaffung einer Interessanten Persönlichkeit im Vordergrund genauso wie die glaubhafte Interaktion mit einer fiktiven Welt, in der selbst ein schlechter SL tausendmal mehr Handlungsmöglichkeiten bieten kann als hundert Programmierer je implementieren können. Und ich denke, dass zumindest denen, die die genannten Pen&Paper-Tugenden schätzen, das auch bewusst ist und ihnen von Anfang an klar war, dass man so etwas in einem Computerspiel wohl (in der nahen Zukunft) nicht finden wird.
Mir fällt grad auf, dass ich mit P&P eigentlich DSA gemeint hab, denn es gibt ja durchaus Pen&Papers bei denen Kampf und leveln im Vordergrund stehen (D&D hab ich zwar nie gespielt, aber welcher DSAler hat keine Vorurteile dagegen…).
Worauf ich hinauswill ist, wer tut sich das Regelmonster DSA an, wenn es so viele intuitivere und einsteigerfreundlichere Rollenspiele gibt, die die reine Lust am Kämpfen und Sammeln und Leveln bedienen. Ich glaube nicht, dass das die Marktnische ist, in der sich DSA mit all der Geschichte, Meisterpersonen etc sehen will (vlt ist das auch nur eine Projektion meiner Wünsche).
Was ich in der Hinsicht noch interessant finde, ist die Entwicklung des Brettspielmarktes in den letzten Jahren, der die besagte Zielgruppe wie ich finde viel besser bedient als DSA. Es gibt inzwischen ja Unmengen an Brettspiel-Dungeoncrawlern (The Descent, Arkham Horror,…) die inhaltlich (also Kämpfen, Sammeln, Leveln) das gleiche wie ein WoW oder Diablo bieten, inklusive sozialem Erlebnis, und sogar visuell sehr ansprechend geworden sind … nur eben Analog.
Vielleicht schafft es ja Herokon diese Lücke zu schließen. Denn wenn ich es richtig verstanden habe, sollen da ja durchaus die soziale Komponente, also das (Rollen-)Spiel in der Gruppe, sowie umfangreiche (Story-)Abenteuer gefördert werden. Quests, bei denen es nur ums Monsterplätten und leveln geht, wird es sicherlich auch geben, aber ich glaube die Idee ist schon, P&P-DSA-Spieler _und_ WoW-Spieler anzusprechen.