Manchmal stimmt es mich schon nachdenklich, was das Regelwerk mit den DSA-Spielern macht. Im Ulisses-Forum wird seit vier Wochen über die Spielbarkeit von Neo-Borbaradianer diskutiert. Auslöser der Debatte war ein Beitrag von Cifer, in dem er einige interessante Aspekte in den Raum geworfen hatte.
Ausgehend von der Beschreibung der Borbarad-Kirche im Regionalband Schattenlande fragte er sich, ob die Borbaradianer mittlerweile spielbar wären, weil:
- sie sind keine staatstragende Religion Of Evil in einer Heptarchie mehr, sondern ein Geheimkult unter vielen
- sie sind nicht mehr allesamt Paktierer
- ihr Ziel, den Menschen gegenüber den Göttern zu emanzipieren, ist zumindest von einem abstrakten Gesichtspunkt her verständlich, wenn auch natürlich in der Methodik oftmals mehr als fragwürdig
Sein Fazit:
Alles in allem würde ich sagen, dass sie mittlerweile moralisch und umwelttauglich ungefähr auf einer Stufe mit den freundlichen Gesellen aus Brabak, Mirham und Fasar stehen – die ja als spielbar eingeschätzt werden.
An dieser Stelle hätte sich eine Diskussion über die rollenspielerische Eignung von Borbaradianern anschließen können. Ob sie auf einer Stufe mit Gesellen aus Brabak, Mirham und Fasar stehen, kann ich kaum beurteilen. Informationen darüber fände ich aber interessant.
Für mich sind Borbaradianer die Verkörperung des Bösen, klassische Gegenspieler jeder Heldengruppe und allein daher nur sehr, sehr eingeschränkt spielbar. Einen Borbaradianer kann ich mir nur in einer Gruppe äußerst zwielichtiger Spielercharakter vorstellen, die sich zudem nur in einer eng begrenzten Region aufhalten. Borbaradianer sind für mich ungefähr so spielbar wie Orks.
Eine solche Diskussion hätte sich anschließen können. Tat sie aber nicht.
Stattdessen wurde seitenlang über die regeltechnische Umsetzung eines Borbaradianers gerungen. Welchen Wert sollte er auf Arroganz haben? Welche Auswirkungen hat ein Paktbruch auf die Zauberfertigkeiten? Dürfen Borbaradianer Metallrüstungen tragen? Usw…
Wie gesagt, manchmal stimmt es mich schon nachdenklich, was das Regelwerk mit den DSA-Spielern macht. Oder was DSA-Spieler mit dem Regelwerk machen.
20 Gedanken zu “Neo-borbaradianischer Regelfetischismus”
Hast du an der Diskussion mitgewirkt?
Ich habe die Diskussion erst kürzlich entdeckt (so intensiv lese ich dort nicht), daher habe ich auch nicht mitgewirkt.
Mh, ich kann es verstehen, wenn man sich recht schnell überlegt, wie man eine mögliche neue Profession umsetzt, aber die Diskussion über den Hintergrund und das Rollenspiel wäre da wichtiger. Man könnte sich überlegen, wie die generellen Charakterzüge eines Borbaradianers sind und dann schauen, was das in Regeln bedeutet. Umgekehrt ist in meinen Augen falsch rum (außer man will nur einen regeltechnisch optimierten Charakter ^^).
Die Frage ist doch: In welchen Settings macht ein Borbaradianer als SC Sinn und hilft, die Story zu entwickeln? Und da fallen mir diverse Möglichkeiten ein, vom etwas sehr freigeistigen Brabaker über den gegen die/parallel zur Helden-Gruppe arbeitenden Halb-NSC (ganz im Stile des Namenlosen) bis hin zur aranischen Magierin, die sich den Belkelel-Kult zurück wünscht. Motive, Borbarad wieder oder weiterhin zu verehren und/oder mit Dämonen zu paktieren, gibt es immer – warum nicht auch für SCs?
Soweit nur ganz abstrakt mein Senf – aufgrund ihres Spielstils mag das jede Gruppe freilich anders halten, und mit Paktierer-SCs habe ich außerhalb dezidierter Paktierer-Runden oder exotischer Abenteuer (Achaz) keine Erfahrungen gemacht. Außer natürlich mein Puniner Metamagier, der schließlich doch dem Ruf seines Vaters erlegen und zur schwarzen Seite (dann als NSC) gewechselt ist …
Hallo
Ich denke mal das es ganz an der Gruppe liegt und am Meister. Denn schließlich muss der Spielleiter die Abenteuer raussuchen und die Gruppe muss miteinander auskommen. Von daher denke ich auch das jeder Heldentypus irgendwie spielbar ist wenn die Randbedingungen passen.
Du sagst es, spielbar wie ein Ork. Aber auch die sind spielbar.
Also allein eine regeltechnische Option zu haben fänd ich sehr gut. Die rollenspielerische Eignung wird dann häufig sowieso gruppenintern geklärt.
Kann mich Arkaniliums Artikel nur anschließen. Die Frage wäre nur, ob es das Regelwerk ist, das sowas produziert, oder ob es das System einfach viele solche Leute anzieht…
Viele sehen Aventurien nur noch durch den „Code“, wie bei Matrix. Zum einen dadurch bedingt das DSA4 den Anspruch erhebt Aventurien komplett zu simulieren und zum anderen weil viele emsige Schreiberlinge die diese Perspektive anzieht, daran seit Jahrzehnten mitschreiben um die Simulation perfekter zu machen.
Das sind also Faktoren die sich gegenseitig beeinflussen. Insofern würde ich sagen, beides. 🙂
Wobei man auch sagen muss, dass, nach meinem Eindruck, für viele die regeltechnische Diskussion gleichbedeutend mit der Diskussion über die Eignung einer Figur, eines Konzepts als SC ist.
Ist es regeltechnisch nicht abbildbar, kann der Charakter kein SC sein.
Interessante Anlayse. Die muss ich mir merken. 🙂
Ein Neo-Borbi ist wesentlich spielbarer als ein Ork oder jeder andere offensichtlich exotische Charakter, sofern er kein Paktierer ist. Die Zusammenstellung der Gruppe ist da nicht so entscheidend.
Jeder halbwegs vernünftige Neo-Borbi wird seine Meinung und seine Ziele vor seiner Gruppe verbergen, wie auch jeder Streuner, Einbrecher oder Dieb seine Profession vor allzu rechtschaffenden Charakteren verbergen wird und der Brabaker Dämonologe nicht vor aller Leute Auge seinem Handwerk nachgehen wird.
Wie Sinnvoll das ist sei dahin gestellt, aber im Idealfall ist ein Charakter ja nicht statisch in seinem Wesen und wird sich, je nach der Länge der Spielzeit, mehr oder minder stark wandeln.
Auf diese Weise kann man ja fast jeden Charakter spielen. Nur ist das denn gewünscht? Möchte man nicht auch von seinen (bösen) Fähigkeiten gebrauch machen? Und in wie fern hat ein solcher Held eine Motivation ein Abenteuer zu erleben?
Mit dieser Argumentation kannst du dann ebenso den Brabaker Magier streichen, wie auch jede andere magische Profession, die irgendetwas mit Dämonologie zu tun hat.
Wenn ich einen Charakter wähle, dann hat das Konsequenzen. Diese muss ich dann in Kauf nehmen. Wie empfehlenswert ist es, einen AlAnfaner in einem Thorwal-Abenteuer zu spielen? Kommt drauf an, wie oft und offen er sich für Sklaverei ausspricht und die Thorwaler als „dumme Barbaren“ tituliert. Ich bin Einbrecher und möchte auch einbrechen? Kannst du machen. Auf eigene Gefahr – mit Option auf „lande eventuell im Kerker, vielleicht sogar verraten von meinem Mithelden „Alrik Heldenhaft, der rechtschaffende Krieger““. Ich spiele einen Rondrageweihten, heldenhaft, niemals weichend, niemals aufgebend – Märtyrertod nicht ausgeschlossen.
Irgendwo muss jeder Spieler Abstriche bei seinem Charakter machen. Wer es nicht tut und sein Charakterkonzept oder auch nur die Archetypenüberschrift konsequent und kompromisslos durchzieht, bekommt eben Konsequenzen zu spüren, auf die ein oder andere Art und Weise.
Thema Motivation: Da ist nunmal Kreativität gefragt. Und es gilt nunmal: Deine Profession ist NICHT dein Charakter. Ein Borbaradianer kann ebenso viele Gründe haben, auf Abenteuer auszuziehen, wie jeder andere Charakter auch. Es liegt am Spieler, nicht am Charakter, einen zu finden. Dir mag keiner Einfallen – anderen Spielern vielleicht schon.
Also ich fand die Argumentation, warum ein Neo-Borbaradianer spielbar sein solle, in Ordnung, so dass – für DSA – folgerichtig dann die Frage anstand, wie es mit einer regeltechnischen Umsetzung aussieht. Und da scheinen die Probleme erheblich größer zu sein.
Was man als Vergleich ebenfalls heranziehen könnte, wären die Magier der Schule der Schmerzen in Elburum. Für die Profession gibt es auch Spielwerte.
Ich denke, die Zeit ist vorbei, wo DSA-Helden automatisch die Guten sein mussten. Wenn Dämonenbeschwörer aus Brabak, Orks oder auch so simple Professionen wie Straßenräuber, Piraten und Wegelagerer spielbar sind, dann kann der Neo-Borbaradianer auch spielbar sein.
Ich denke auch, es läuft darauf hinaus, dass die Frage nach dem „ob“ schnell ad acta gelegt wurde und sich das Augenmerk auf die Frage nach dem „wie“ fokussiert hat. Und wenn ich das recht verstanden habe, ist das auch eine nicht ganz unknifflige Frage.
Ja, das kann natürlich sein. Wenn die Frage nach dem „ob“ rasch geklärt war, erübrigte sich natürlich die Diskussion.
Also wollen viele DSA spieler am ende doch so Detail reiche Regelsysteme!;)
ich vermute mal, dass zumindest ein Regelsystem gewünscht ist, in dem solche Charaktere umsetzbar sind.
Hallo Arkanil,
hab grad deinen Blogeintrag entdeckt. Wie ja schon in den restlichen Kommentaren richtig gedeutet wurde, war man sich über die grundsätzliche Möglichkeit des Borbaradianerspielens recht fix einig, die Debatte ging dann halt in die andere Richtung – und angesichts der mittlerweile erfolgten Ankündigung, dass die die aktuelle Satzung „Paktgeschenke ohne Pakt“ nicht sein kann, bin ich mal gespannt, was von dem Konzept noch übrig bleibt.
Da du aber was die Spielbarkeit angeht anderer Meinung zu sein scheinst, würde ich mich sehr freuen, die Debatte darüber mit dir nachzuholen.
Hast du dir mal im SL den Abschnitt über die Neoborbaradianer durchgelesen? Ich denke, da ist ein ziemlich massiver Entwicklungssprung im Vergleich zu den alten Borbaradianern passiert. Der ganzen Bewegung wurden massiv die kranken Triebe gestutzt und man ist auf das eine Kernprinzip von Borbarads Verheißung zurückgekehrt: „Jeder Mensch ein Magier!“. Verbunden mit der Geheimgesellschaftsstruktur, wo kein großes Kirchendogma mehr herrscht sondern jeder Initiat halbwegs eigenständig agiert, eignet sich das IMO bestens für in Heldengruppen reisende SCs.
Was die Spielbarkeit angeht, besteht diese natürlich nicht in einer Gruppe mit Weißmagier, Praiot und Waldelf. Kommt man hingegen in den Bereich der Gruppen, die mit den Konzepten in Schattenlande eher angesprochen werden, den Antihelden, die als fehlbare Charaktere in einer düsteren Welt doch einen kleinen Unterschied zum Guten hin machen wollen, finde ich den Neoborbaradianer durchaus passend. Den Vergleich mit dem Ork hingegen nicht – Orks sind in vielen aventurischen Regionen automatisch Freiwild und vor allem stets als solche ersichtlich. Der Borbaradianer hingegen hat keinerlei Erkennungszeichen, wenn er nicht gerade beim Zaubern beobachtet wird. Er kann nicht per Odem als magisch erkannt werden, eine Seelenprüfung enttarnt keinen Paktiererstatus und beim Bad im Gruppenzuber ist kein Dämonenmal zu entdecken.
Wenn also weder Moral noch Enttarnung automatisch gegen den Status als SC sprechen, was tut es dann? Dass man Borbaradianer in der Vergangenheit häufiger als Antagonisten denn als Verbündete antraf (und das wahrscheinlich auch weiter tun wird)? Das ist mit Schwarzmagiern und Praioten irgendwie genauso…
Hi Cifer,
vielen Dank für Deinen Beitrag. Die Diskussion führe ich gern weiter, obwohl ich befürchte, dass es kaum was zu diskutieren geben wird. 😉
Denn ich persönlich halte (Neo-)Borbaradianer durchaus für spielbar. Es kommt natürlich, wie Du schon geschrien hast, auf die Gruppe an. Ich stehe aber grundsätzlich auf dem Standpunkt, dass alles machbar ist, was den Spielern und der Spielgruppe Spaß macht. Darum geht es schließlich. Wenn dazu das Spielen von Borbaradianer gehört, ist mir das recht.
Meine Überlegungen zielten eher darauf ab, ob Borbaradianer von offizieller Seite als spielbar angesehen werden. Offizielle Abenteuer setzen häufig die typische Gutmenschen-Heldentruppe voraus. Da könnte ein Borbaradianer schon mal Probleme machen.
Pff… da fängst du so schön vollmundig mit „Für mich sind Borbaradianer die Verkörperung des Bösen, klassische Gegenspieler jeder Heldengruppe und allein daher nur sehr, sehr eingeschränkt spielbar.“ an und dann solche Einschränkungen… 😉
Für offizielle Abenteuer dürften übrigens (abseits des direkten Auftrags einer Zwölferkirche) Borbaradianer *besonders* gut geeignet sein. Immerhin ist die Standardanforderung, dass Helden
-grundsätzlich für Menschen in Not da sind (sicherlich nicht automatisch gegeben, aber dank prinzipiell positivem Menschenbild auch nicht ausgeschlossen)
-keine Belohnung erwarten (wozu auch Gold und Silber einheimsen, wenn der wahre Schatz der menschliche Geist und die magische Befähigung sind?)
-sich nicht im geringsten um geltendes Recht scheren (tut er ja per definition nicht)
Also eine Kombination, wie sie sonst eigentlich nur von Hexen automatisch erfüllt wird…