Sagt ein DSA-Spielleiter zu seinem Spieler:
„Und? Was für`n Helden spielst du?“
Antwortet der DSA-Spieler:
„Einen Söldner aus dem Mittelreich mit rund 2500 AP. Nichts Besonderes. Talent Schwerter ist auf 12, Körperkraft auf immerhin 16. An Sonderfertigkeiten habe ich erstmal nur Wuchtschlag, Finte, Ausweichen II und Rüstungsgewöhnung I. In den körperlichen Talenten ist er auch ganz gut.
Hm… was noch?
Ach ja, Wildnisleben und so ist auch okay. Ein paar Wissenstalente habe ich auch noch gesteigert, weil ich mir gedacht habe, dass er schon ein wenig rumgekommen ist in der Welt. Kampfrausch hat er als Vorteil, und bei den Nachteilen sind Goldgier und Neugier jeweils bei acht Punkten.
Sein Name ist übrigens Alrik.“
Ein Held namens Alrik
Alrik scheint bestens für das Abenteuerleben gerüstet. Als profunder Schwertkämpfer dürfte er ein Gewinn für jede Heldengruppe sein. Über seine unstillbare Neugier und seine Schwäche für Gold lässt sich hinwegsehen. Doch es gibt etwas, das Alrik fehlt: Eine Geschichte.
Wo kommt er her? Wo will er hin? Was treibt ihn an?
Nach meiner Erfahrung verfügen viele Helden gerade am Beginn ihrer Abenteuerlaufbahn nur über eine dünne Geschichte. Meine eigenen Helden will ich da nicht ausnehmen. Bei der Charaktererschaffung liegt das Hauptaugenmerk auf der Wahl einer Rasse, Kultur und Profession und der Festlegung der Spielwerte. Die Ausarbeitung der Hintergrundgeschichte, Motivation und Charaktereigenschaften erfolgt dabei beiläufig oder nachrangig.
Für die Defizite in diesem Bereich sind natürlich in erster Linie die Spieler verantwortlich. Ihre Aufgabe ist die Ausarbeitung der Geschichte ihres Helden. Dennoch lassen sich die Defizite in diesem Bereich nur teilweise den Spielern ankreiden.
Alrik – Held ohne Geschichte
DSA misst Regeln und Werten eine große Bedeutung bei. Das gilt ebenso für die Helden, die sich allein schon durch das Generierungssystem stark über ihre Werte definieren. Dies verführt dazu, dass sich Spieler auf die Ausarbeitung ihrer Spielwerte konzentrieren und die Geschichte vernachlässigen. Alrik, um beim obigen Beispiel zu bleiben, ist in erster Linie ein guter Kämpfer – und sonst kaum etwas.
Ich weiß nicht, ob es zwangsläufig ein Nachteil sein muss, wenn der Fokus eines Rollenspiels stark auf Regeln und Werte liegt. Allerding befürchte ich, dass darunter die erzählerische Ausgestaltung der Helden leidet. Alrik ist dafür nur ein (wenn auch vielleicht übertriebenes) Beispiel.
17 Gedanken zu “Regeln essen Seele auf”
Ich sehe die Schwerigkeit muss aber zugeben das ich ihr keinen großen Wert bei. Denn ich finde es einfacher nachträglich die Geschichte zu schreiben weil im 5. Abenteuer ein alter Kamerad Alriks benötigt wird. als nachträglich z.B. Pflanzenkunde 5 hinzufügen weil der Spieler beschließt es wäre ein schönes Hobby.
Geschichte ist wichtig um Alrik von seinem Söldnerkameraden Hagen zu unterscheiden aber Regeln finde ich wichtig um Streit und Missverständnisse am Spieltisch zu minimieren.
Das Blog finde ich übrigens sehr gut und lese hier regelmässig mit mach bitte weiter so.
Ich bin mir auch etwas unsicher, in wie weit das Regelsystem auf die Hintergrundgeschichte negative Auswirkungen. Wir haben da nur mal kurz in unserer Runde drüber gesprochen und sind über die oben angesprochenen Defizite gestolpert. Ob das nun mit dem Regelsystem zusammenhängt? Keine Ahnung… Vielleicht.
(Und danke für das Lob 🙂 )
Ich denke, dass es da wirklich auf den Spieler ankommt, dem Helden einen Hintergrund zu geben. Ein Spieler dem dies wichtig ist, der macht es halt sowieso und andere eben nicht, egal welche Regeln.
Ich persönlich habe immer erst den Hintergrund und mache mir dann einen passenden Helden dazu. Zu diesem Zweck ist ein Kaufsystem wie DSA auch die beste Regellösung, weil ich mir damit meinen Helden optimal zu meinem erdachten Hintergrund erstellen kann und ihn durch die Regeln noch mit interessanten Eigenheiten ausstatten kann. Wenn ich da an früher denke, als man sich die Helden ausgewürfelt hat, graust es mir ;o)
Stimmt, Würfeln. Das waren noch Zeiten. 😉
Zur Heldenerschaffung: Oftmals läuft die aber so, dass man sich ein grobes Konzept überlegt. Z.B einen zwergischen Kämpfer. Und dann lässt man sich vom Regelwerk weiter inspirieren. In diesem Fall stehen erst die Regel fest und die umfangreiche Hintergrundgeschichte kommt erst später dazu (wenn überhaupt)
Gerade die DSA-Generierungs-Regeln unterstützen es doch, dass ein Charakter über das Abenteuernotwendige hinaus Farbe kriegt. Welches System sonst zwingt dich mit Wahlpflichtboni in diversen Unnütztalenten, dir Gedanken zu machen, ob dein Krieger in seiner Kindheit eher mit Ackerbau oder Bierbrauen in Berührung gekommen ist? Auch die Herkunftspakete (Tempelstadt? Hafenstadt? Hafenstadt mit Tempel?) regen dazu an, sich damit zu befassen, wo der Held herkommt. OK, man kann im Helden-Generator schnell drüber wegklicken und im Abenteuer selbst muss es keine Rolle mehr spielen.
Auch viele Vor- und Nachteile (Feind, Gesucht, Verpflichtungen, Verbindungen) bringen eigentlich
Hier sehe ich eher in der Flut, die bei der Generierung über einen Helden hereinbricht (dazu hattet ihr ja unlängst einen Beitrag) ein Problem: Wenn jeder Held ein Dutzend Vor- und Nachteile hat, bleiben alle blass.
Aber letztlich sind das Woher und Wohin eines Helden sowieso Sachen, die gut unabhängig vom Regelsystems stattfinden können. Nämlich indem Abenteuer nicht vom Blatt gespielt werden, sondern an den Hintergründen der Helden andocken und zumindest teilweise von SL und Spielern gemeinsam entwickelt werden.
Das hängt davon ab, was man mit den Vorgaben macht.
Wenn die Vorgaben (wie. Z.B Talent „Ackerbau“ auf 5, Herkunft „Hafenstadt“, Vorteil xy) dazu führen, dass man sich darauf aufbauend weitere Gedanken über die Geschichte seines Helden macht, hast Du natürlich Recht.
Meine Erfahrung ist aber, dass die Vorgaben häufig die eigenen Gedanken über die Geschichte ersetzen. So nach dem Motto (mal ganz platt): „Ich hab mir einen Seesöldner generiert, der aus einer Hafenstadt kommt und goldgierig ist. Das ist doch schon ein super Hintergrund.“
Ok, vielleicht ist er das ja auch 😉
Mal provokant gefragt: Wozu soll der Charakter denn darüber hinausgehende Geschichte und Ziele haben? Damit er in Taverne ein bisschen mehr zu erzählen hat, bevor er für die vom Abenteuer vorgegebene Standardmotivation das nächste Standardproblem löst? Oder weil sich da ein Spielleiter wirklich Gedanken drüber macht, wie er gemeinsam mit den Spielern aus deren individuellen Hintergründen ein individuelles Abenteuer strickt?
Es kommt, mal wieder, auf den Spielstil an. 😉
Wenn den Spielern „Goldgier“ als Abenteuermotivation reicht, dann braucht man nicht viel Hintergrund. Wer aber tatsächlich in der Taverne was erzählen möchte, wird etwas mehr Hintergrund benötigen.
Wenn Dir der Hintergrund nicht ganz so wichtig ist, ist das völlig okay und dann hast Du natürlich auch keine Schwierigkeiten mit den Regeln und Werten. Wer aber den Hintergrund etwas wichtiger findet, bekommt evtl. mit den Regeln und Werten Probleme.
Eben, alles eine Frage des Spielstils. Du sagst: „Wer aber tatsächlich in der Taverne was erzählen möchte, wird etwas mehr Hintergrund benötigen.“ Und er wird ihn sich aus ausdenken – füge ich hinzu. Wer es nicht will, lässt es bleiben. Übrigens spricht nichts dagegen, sich solche Hintergrunddetails ganz spontan in der Kneipe auszudenken und etwas auf die Situation, das Gespräch oder ein Ereignis passendes zu improvisieren: „Die Stadtgardistin erinnert mich an meine Schwester. Die hat auch immer …“ Das ist allemal witziger, als irgendwo auf einem Zettel die Namen von sieben Brüdern und Schwestern notiert zu haben, nach denen vielleicht nie jemand fragt.
Ich verstehe aber immer noch nicht, inwiefern dir das Regelwerk dabei helfen oder im Wege stehen soll.
Benjahmin hat darauf eine gute Antwort gegeben, die ich nicht besser hätte formulieren können. 😉
Welches System sonst zwingt dich mit
Keines
Gygax und Arneson sei Dank!
Das bringt fürs SApiel nämlich exakt nicht nur nichts sondern ist eine Inspirationstötende Zwangsjacke.
Das fast jeder Char mit Klischee Vor/Nachteilen zugmüllt wird zementiert den Effekt nur.
Nichts davon, aber auch gar nichts steht in Korrelation mit der Persönlichkeit des Chars oder Zielen des Charspielers.
Dabei ist der Hintergrund nichts als eine Krücke mit der innerweltlich für den SL begründet werden soll, warum der Char so ist wie er ist, letzteres ist aber das wichtige nicht das erstere.
Glaub ich generell nicht – die Aussage, dass Regeln den Charakter zerstören … oder seine Seele.
Was aber stört sind Regeln, die den Charakter nicht stützen, eine sozusagen eher unvollständige Reflektion geben. Oder gar Elemente, die dem Charakter entgegenstehen.
Ich find es total cool, wenn man zum Beispiel einen Charakter haben kann, der einem Regime entflohen ist, weil er dessen Terror nicht ausgehalten hat (Regelement „Background: Flüchtling“, Vorteil: Bonus auf Überleben), er sich zum Überleben einer Arkanen Macht verdingt hat hat (Regelement: Klasse: Paktierer mit Arkaner Macht), die die Welt in ewigen Winter tauchen will (Regelement: Vorteil: Kälteresistenz. Regelement: Zauber basierend auf Kälte).
usw. usw. – Die Regelelemente sind übrigens ganz grob aus D&D 4 entliehen. Noch besser geht es übrigens mit FATE.
Das fehlen eines aussagekräftigen Hintergrundfragments sowie einer kurzen Charakterisierung bei DSA 4.X liegt meines Erachtens an der einseitigen und langwierigen Charaktererschaffung. In stundenlanger Arbeit wird die ganze Spielfigur in Regeln gegossen. Für freie Assoziationen zum Hintergrund und zur Person an sich fehlen im Anschluß Motivation und Konzentration.
Am nächsten Abend wird dann einfach mal losgespielt – regelseitig ist die Figur ja fertig.
Als Lösungsvorschlag:
Vor dem Losspielen eine halbe Stunde Zeit einplanen um über Zufallstabellen oder andere kreative Methoden wie 10 Fragen + Mindmap oder Es war einmal …, Idee!, Tarot-Karten einen Hintergrund zusammenfabulieren.
WFRP 2 zeigt wie’s gehen kann …
@Athair: Für mich persönlich ist die (zugegebener Maßen sehr langwierige) Charaktererschaffung eine Sache, die ich ganz gerne mache. Ich habe schon viele Charaktere erstellt, von denen ich weiß, dass ich sie nie spielen werde, nur weil ich sie umsetzen wollte 🙂 Kann also auch genau den anderen Effekt haben. Wird wohl auch mit den schon oft erwähnten Spielstil und den eigenen Vorlieben zu tun haben.
Generell: Ich bin der Meinung ein junger Held, der gerade mit seiner Ausbildung fertig ist, braucht noch nicht einen sooo komplexen Hintergrund. Im Vergleich zu seinem Abenteuerleben fände ich es überladen, wenn er schon zu viel erlebt hätte.
Interessant könnte es natürlich sein, einen jungen Helden zu spielen und seinen Hintergrund wirklich zu erspielen ^^
Ich betrachte die „20 Fragen an den Helden“ genauso als Generierungsregel, wie den Werte-Baukasten aus Rasse/Kultur/Profession und so weiter. Bei der Generierung sollten diese also gleichsam konsequent mit prägnanten Aussagen abgearbeitet werden. Zwar schadet es nichts, auf die eine oder andere Frage (noch) keine Antwort zu haben und diese erst im Laufe der Abenteuer zu ergründen, aber das Grundgerüst sollte stehen … und Söldner Alrik von Söldner Gerion unterscheidbar machen. Dabei können auch zwei weitere Fragen nach Vorlieben/Abneigungen (schreibt heimlich Liebesgedichte, mag kein Bier) oder etwaigen Eigenarten/Macken/Schrullen helfen. Beispielsweise sagt der Held des öfteren: „Mein alter Herr, der Junker von Winterkorn, der hat immer gesagt:…“ und dann irgendeine passende oder unpassende „fundierte Halbwahrheit“ vom Stapel lassen. Eventuell mit dem Nachsatz „Und er war ein schlauer Mann.“
Eine etwa halb- bis ganzseitige Hintergrundgeschichte kann diesen Zweck natürlich genauso gut erfüllen oder – das wäre am Besten – die 20 Fragen ergänzen. Dabei muss der Hintergrund keineswegs komplex sein, sondern „lediglich“ individuell. Denn das sollen Alrik und Gerion doch sein: Individuen, Charaktere mit Seele.
Auch hier muss man natürlich anmerken, dass hier vieles vom Spielstil abhängig ist. Außerdem spielt natürlich, egal bei welchem Rollenspiel, die Spielermotivation den eigenen Charakter auszugestalten eine wichtige Rolle.
Allerdings gibt es bei DSA einige Aspekte die die Hintergrundgestaltung des Helden durch den Spieler doch in gewissem Maße beeinflussen.
Zum Einen muss man sagen, dass die Charaktergenerierung und -optimierung wirklich sehr zeitintensiv ist. Wenn man einen Charakter bei DSA per Hand und nicht gerade mit der Heldensoftware generiert, dauert es wirklich Stunden. Nach einer Charaktererstellung, die auch geistige Anstrengung bedeutet, ist man meist nicht mehr so motiviert sich noch groß Gedanken über den Hintergrund des Charakters zu machen. Dies muss somit schonmal ausgelagert werden und man kann nicht „direkt“ losspielen.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Unmenge an Werten, Talenten, Vor- und Nachteilen die den Spieler scheinbar entlasten und z.T. auch einengen. Auf der einen Seite denkt man sich, dass die Hintergrundgeschichte des Charakters sich in den Talenten widerspiegelt. Ob man die Talente nun nach der Geschichte verteilt oder die Geschichte nach den Talenten entwickelt ist zweitrangig. Fest steht, dass man das Gefühl hat man braucht nichts Zusätzliches niederschreiben, weil es ja in Werten fixiert ist.
Hinzukommt, dass durch die vielen automatischen Vor- und Nachteile die Charaktergenerierung teilweise eingeengt wird. Der Charakter hat von Beginn an Vor- und Nachteile die man sich nicht selbst ausgesucht hat und diese muss man dann irgendwie in den Hintergrund mit einbinden, auch wenn diese gar nicht zum eigentlichen, ursprünglichen Charakterkonzept passen.
Wie gesagt, meiner Meinung sollte es Usus sein, dass jeder Spieler seinem Charakter einen passenden, stimmigen und spielbaren Hintergrund erschafft und das unabhängig davon welches Regelwerk man benutzt. DSA schafft aber durch seine zeitintensive, detaillierte Charaktererschaffung die Illusion, dass die Spieler von der Ausgestaltung eines detaillierten Hintergrundes „befreit“ sind, da sich ja sowieso schon alles in den Werten wiederfindet.
Das ein Charakter aber viel mehr ist als seine Werte gerät bei der Masse an Werten bei DSA leider zu oft in den Hintergrund.
Hintergrund ist unwichtig, wichtig sind Persönlichkeit, Werte, Motive ndes Chars und ggf Plothooks