Rezension: Der Fluch der Hexenkönigin

81l0B8KB26L._SL1500_Ein Reiseabenteuer, das die Abenteurer durch mehrere Regionen von Lorakis führt und so einen ersten Eindruck der Spielwelt vermittelt. Ein Kind, die es während der Reise zu beschützen gilt. Ein Gegenspieler, der den Abenteurern mehrfach Steine in den Weg legt. Das ist – in knappen Worten – die Handlung des neuen Splittermond-Abenteuers Der Fluch der Hexenkönigin.

Wer angesichts dieser Beschreibung nicht in zittriger Vorfreude ausbricht, dem kann ich es nicht verdenken. Die Handlung klingt arg nach mehrfach durchgekauter Rollenspiel-Standardkost: reise von A nach B, bestaune die Besonderheiten des Settings, besiege unterwegs Gegner, überwinde diverse Hindernisse, gewinne den Endkampf.

Auch die Hintergrundgeschichte der Handlung reißt nicht gerade vor Begeisterung vom Hocker. Am Anfang steht irgendeine Prophezeiung, die irgendwelche finsteren Schergen nicht gefällt, die darum finstere Dinge tun, unter denen unschuldige Personen zu leiden haben, die sich daraufhin hilfesuchend an wen wenden? Natürlich an die Spielercharaktere.

An dieser Stelle hätte meine Beschäftigung mit Der Fluch der Hexenkönigin beendet sein können. Bereits der Werkstattbericht von Autor Stefan Unteregger aus dem Januar klang zwar nett, hatte bei mir aber kein großes Interesse geweckt. Gekauft habe ich mir Der Fluch der Hexenkönigin dennoch. Es ist das erste vollwertige Abenteuer für Splittermond und ich wollte wissen, welchen Weg die Jungs und Mädels vom Uhrwerk Verlag mit ihrem neuen Rollenspiel einschlagen.

Um es kurz zu machen: Ich bin positiv überrascht worden. Sehr sogar.

Das Abenteuer trifft die Stimmung

Splittermond will ein klassisches Fantasy-Rollenspiel sein, das vertraute Elemente auf neue Art kombiniert und dadurch ein spannendes Spiel bietet. Der Fluch der Hexenkönigin ist ein klassisches Abenteuer, dem genau das gelingt.

Zu Beginn gleicht Der Fluch der Hexenkönigin vielen anderen klassischen Fantasy-Settings. Das erste Kapitel ließe sich ohne großen Aufwand nach Aventurien oder Myranor übertragen. Beim Lesen hatte ich gelegentlich den Eindruck, ein DSA-Abenteuer in den Händen zu halten. Doch so wie sich aber die Schauplätze wandeln, so wandelt sich auch dieser Eindruck.

Spätestens ab dem zweiten Kapitel erwacht Lorakis zum Leben. Erstmals habe ich dort den Eindruck, dass die Splittermond-Spielwelt nicht bloß eine Aneinanderreihung bekannter Fantasy-Elemente ist, sondern dass bekannte Fantasy-Elemente zu einem eigenständigen und stimmungsvollen Gesamtbild kombiniert werden. Das Abenteuer gipfelt in einen Abstecher auf einen Mondpfad, der zeigt, welch Potenzial in dieser Anderswelt liegt.

Lineare Handlung – offenes Abenteuer

Autor Stefan Unteregger gelingt es zudem, aus einem linearen Reiseverlauf ein abwechslungsreiches und offenes Abenteuers zu gestalten. Wobei „offen“ relativ ist. Das Ziel der Reise ist vorgegeben, die Szenen dorthin sind vorbestimmt, doch der Ausgang jeder dieser Szenen ist offen. Selten wird durch das Abenteuer ein bestimmtes Verhalten der Spielercharaktere vorausgesetzt. Selbst ein Scheitern der Abenteurer ist in jeder Szene möglich, sogar das Abenteuerfinale könnte mit einer Niederlage enden.

Wer unter „offen“ eine irgendwie geartete Sandbox versteht, oder grundsätzlich ein Abenteuer, in dem es keinerlei vorgegebenen Handlungsverlauf gibt, der wird vom Grad der Offenheit in Der Fluch der Hexenkönigin bitterlich enttäuscht sein. Der grobe Handlungsverlauf des ersten Splittermond-Abenteuers ist fest vorgegeben, die Reihenfolge der einzelnen Szenen ist ungefähr so flexibel wie ein Stahlträger.

Doch innerhalb dieses Rahmens hat das Abenteuer eine Offenheit, die für ein Mainstream-Rollenspiel nicht selbstverständlich ist. Wer DSA spielt, weiß wovon ich rede. Spielern und Spielleiter bieten sich in Der Fluch der Hexenkönigin immer noch ausreichend Freiräume und zahlreiche Möglichkeiten zum unterhaltsamen Rollenspiel. Es gibt kaum eine Szene, bei der ich mir nicht gedacht habe: „Super Idee. Das wird richtig spaßig am Spieltisch.“

Kleine Kritikpunkte

Es ist aber nicht alles gut in Der Fluch der Hexenkönigin. Gegen Ende der Handlung erreichen die Abenteurer Ioria, die – wenn ich mich nicht täusche – größte und wichtigste Stadt der Splittermond-Spielwelt. Doch Ioria selbst kommt in dem Abenteuer sehr kurz weg, ist nicht mal so etwas wie ein knappes Zwischenspiel.

Dabei dürfte der Besuch einer solchen Metropole für die Abenteurer ein beeindruckendes Erlebnis und für die Spieler zumindest ein interessantes Ereignis sein. Gewünscht hätte ich mir ein paar Hilfsmittel, einige kurzen Szenen, um den Aufenthalt dort stimmungsvoll auszuschmücken.

Gar nicht begeistert bin ich zudem von einem (optionalen) Nichtspielercharakter, der gegen Ende des Abenteuers auftritt und die Funktion hat, den Spielern an den richtigen Stellen hilfreiche Hinweise zu geben. Das ist äußerst unschön gelöst.

Fazit

Der Fluch der Hexenkönigin ist ein wunderbarer Einstieg in die Splittermond-Spielwelt. Das Regelbuch und der Weltenband waren interessant, konnten jedoch nur einen oberflächlichen Eindruck vom Spiel auf Lorakis vermitteln. Das ändert sich nun. Mit Der Fluch der Hexenkönigin kommt endlich Stimmung auf, einzelne Orte erwachen zum Leben und es wird das große Potenzial deutlich, das in der Spielwelt steckt.

Ja, Der Fluch der Hexenkönigin ist ein sehr lineares Abenteuer. Ja, manche werden vielleicht sogar von Railroading sprechen. Aber, hey, was soll’s? Innerhalb des starren Rahmens gibt Der Fluch der Hexenkönigin den Spielern trotzdem viele Freiräume. Und überhaupt: Wer behauptet eigentlich, dass ein Abenteuer nur dann unterhaltsam sein kann, wenn es den Spielern die maximale Freiheit bietet? Ich zumindest nicht. Der Fluch der Hexenkönigin besteht aus so vielen tollen Szenen, die so viel Spielspaß versprechen, ich bin begeistert.

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